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Freiwillig bis 70 arbeiten? / 2.01.15

Normalerweise schreibe ich hier nur zu kommunalpolitischen Themen, aber dieses Thema verdient eine Ausnahme. 10 Jahre nach den Hartz Reformen und deren für die SPD fatalen Folgen, lässt mich diese versuchte Kampagne nicht kalt.

Die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ist erst im Sommer 2014 wieder eingeführt worden, eine Forderung der SPD. Bis Ende November gingen bei der Deutschen Rentenversicherung ca. 186.000 Anträge ein.
Man kann also heute nach 45 Jahren mit 63 in Rente gehen, man muss aber nicht! Wer länger arbeiten will, kann bis zum regulären Renteneintrittsalter arbeiten und so auch eine höhere Rente erreichen.

Bundestag und Bundesrat hatten 2007 mit dem „Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz“ die Rente mit 67 beschlossen, mit dem Ziel der schrittweisen Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre. Den Anfang machte der Jahrgang 1947. Noch von 2012 bis 2023 steigt das Renteneintrittsalter jährlich um einen Monat von 65 auf 66 Jahre, ab 2024 bis 2029 dann jährlich um jeweils zwei Monate auf 67 Jahre. Also, wer 1947 geboren wurde, soll über 65 hinaus noch einen Monat länger arbeiten. Und ab Jahrgang 1964 gibt es Rente nach Plan dann mit 67 Jahren.

Heute nun hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise vorgeschlagen, neue Anreize zu schaffen, damit Menschen freiwillig bis 70 arbeiten. Siebzig!
Er forderte mehr Flexibilität beim Eintritt in die Rente: “Es muss einen Korridor geben für einen flexiblen Ausstieg aus dem Beruf.“ Die Firmen sollten Bedingungen schaffen, dass ältere Arbeitnehmer “gerne und gut” arbeiten können…
Brauchen wir wirklich schon wieder eine Rentendiskussion?
Vor zehn Jahren am 01.01.2005 traten die Hartz-Reformgesetze in Kraft. Ein bis heute schwieriges Thema für die SPD.

Bevor wir in eine neue Debatte geraten, sollten wir erst einmal auf die Fakten schauen:

Die Arbeitgeber sind natürlich wie immer tief besorgt. Sie kritisierten schon im Herbst “falsche Anreize zur Frührente”. Die Möglichkeit der Rente mit 63 werfe die Wirtschaft beim Ausbau der Beschäftigung Älterer wieder zurück. Warum? Eine Zwangsverrentung findet doch nicht statt, aber der ökonomische Zwang zum Weiterarbeiten entfällt für manche ein paar Jahre früher. Hat die Wirtschaft bisher also noch keine Bedingungen geschaffen unter denen ältere Arbeitnehmer “gerne und gut” arbeiten können und wollen?

Der Präsident des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft beklagte zur Jahreswende den gefühlten Fachkräftemangel als “Albtraum für den Mittelstand.”
Hat sich wirklich innerhalb weniger Monate die Situation grundlegend verändert?

Möglicherweise sind einige zehntausend Arbeitnehmer in 2014 ein bis zwei Jahre früher in die Rente gegangen. Andere warten wohl immer noch auf Antwort auf ihre Anträge.

Die Arbeitslosigkeit lag Ende 2013 bei 2,81 Millionen und Ende 2014 bei 2,72 Millionen, also rund 90.000 Arbeitslose weniger.

Wir haben aber immer noch eine Million Langzeitarbeitslose in Deutschland, Menschen die länger als ein Jahr ohne Arbeit sind.
Die Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren zwar verringert, aber laut DGB darf das nicht mit Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt verwechselt werden. Viel zu oft spiele sich das Arbeitsleben zwischen Leiharbeit, befristeten Stellen, geringfügiger Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit und Arbeitsförderung ab. Rund die Hälfte der Langzeitarbeitslosen, die einen Job gefunden haben, befindet sich nach einem halben Jahr schon wieder beim Jobcenter.

Was sagen die Arbeitgeber dazu? Und Herr Weise?
Was ist das Ziel der von ihm angestimmten Kampagne? Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen?

Hier sind klare Antworten fällig, bevor es eine neue Rentendiskussion braucht!

Hermann Geusendam-Wode

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