Es geht weiter am Hiltruper Bahnhof / 2.07.13
Bürgerinformation zu Stroetmann-Plänen
Die Stroetmann-Planung am Hiltruper Bahnhof: über die geschwungene Passerelle kommen Reisende zum Bahnhof und Kunden zu Wiewel
Ein freundliches Echo bekamen die Planer von Stadt und Stroetmann: das Stadtplanungsamt hatte in die Hiltruper Stadthalle eingeladen zur Vorstellung des aktuellen Planungsstands, und der Sitzungssaal war gut besetzt. Neben den Mitarbeitern des Stadtplanungsamtes waren Vertreter von Stroetmann gekommen und hatten den Architekten und den Städteplaner mitgebracht, der schon einen Vorentwurf eines Bebauungsplanes präsentierte.
Aus den Vorträgen und der anschließenden Diskussion – die keine grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben enthielt – ergab sich ein genaueres Bild, was hier entstehen soll: ein großer Baukörper auf einem kleinen Grundstück, gleichzeitig ein Kompromiss zwischen Einzelhandel und städtebaulichen Interessen.
100 Meter zählt die nördliche Frontseite entlang dem Geh- und Radweg, der von der alten Marktallee bis zum Bahnhof überbleibt; die problematische Rückseite des zukünftigen Wiewel-Marktes, architektonisch kaum gegliedert und notdürftig mit einem 1,5 Meter breiten Pflanzstreifen kaschiert. Notdürftig ist auch die übrige Begrünung des gesamten Vorhabens, das riesige Flachdach soll ein Grasdach verschönern, und der Kundenparkplatz (südlich der geschwungenen Passerelle) ist bislang als nackte Blechwüste geplant: fünf Bäume dekorieren 135 Parkplätze.
Diese Zahlen verdeutlichen das Dilemma des Standortes. Lebensmitteleinzelhandel braucht inzwischen größere Flächen (1.900 m² am Bahnhof), braucht mehr Parkplätze und braucht ergänzende Angebote von Fachmärkten (zusammen 1.000 m²). Eine lebendige Stadt braucht daneben auch Wohnungen, Stroetmann verspricht 1.500 m² Wohnfläche, sein Städteplaner will bislang nur 1.000 m² Wohnnutzung im Bebauungsplanentwurf verbindlich absichern, damit hier nicht das Gleiche entsteht wie nebenan im Aldi-Haus, nämlich leer stehender Wohnraum. Darüber wird man im Rat noch reden müssen. Insgesamt die Quadratur des Kreises: eigentlich ist das Grundstück zu klein für eine vernünftige Lösung.
So sind Kompromisse erforderlich: natürlich kann Hiltrup die Chance nicht verpassen, endlich die historische Mitte wiederzubeleben. Mit dem Supermarkt am Bahnhof kann das städtebauliche Vakuum beseitigt werden, gleichzeitig kann die Marktallee an diesem Ende dringend erforderliche Impulse bekommen. Dementsprechend ging es in der Veranstaltung nicht um grundsätzliche Kritik, sondern um Information und Anregungen im Detail:
Tragende Idee des Architektenentwurfs ist die Passerelle, eine geschwungene und sechs Meter breite Verbindung zwischen Marktallee / Hülsebrockstraße und Bahnhof. Ein drei Meter breites Vordach, Außengastronomie und Hecken als Begrenzung zum Parkplatz sollen Flanier-Qualität schaffen; Fußgänger und Radfahrer sollen sich diesen Raum teilen, die Kampf-Radler sind hier unerwünscht (hoffentlich halten sie sich daran). Zur Kreuzung Marktallee / Hülsebrockstraße hin nimmt ein markanter Aufbau über dem eher transparenten Einzelhandelsbereich in drei Obergeschossen Wohnungen auf und setzt damit ein Ausrufezeichen – Stroetmann will hier anspruchsvolle Architektur. Die Passerelle ist Tag und Nacht offen, auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten (angedacht: 7 – 22 Uhr) soll es hier hell sein.
Kritischer Punkt wird voraussichtlich das Parken im Bahnhofsumfeld. Fahrradstellplätze am Bahnhof sollen verdoppelt und überdacht werden, auch Stroetmann kann sich Fahrradständer vorstellen, aber: der typische Münsteraner fährt mit dem Rad bis zur Ladentür. Diese Anregung nahm der Architekt mit. Für die Autofahrer unter den Pendlern und Wiewel-Kunden könnte es in Zukunft eng werden. Die „offiziellen“ Parkplätze rund um den Bahnhof sollen zwar um die Hälfte aufgestockt werden durch den Bau einer Parkpalette, aber der Parkdruck dürfte bleiben. Stroetmann wird gar nichts anderes übrig bleiben als seine 135 Kundenparkplätze mit einer Schranke zu sichern, damit sie nicht von den Pendlern belegt werden – da ist Konflikt vorprogrammiert.
Die Verkehrsanbindung sehen die städtischen Planer dagegen unproblematisch. Alle Zufahrten und der größte Teil der Ausfahrten sollen über die Max-Winkelmann-Straße erfolgen, die im Einmündungsbereich zur Glasuritstraße aufgeweitet wird; nach dem Ergebnis der Verkehrsuntersuchung ginge dies sogar ohne Ampel, tatsächlich sollen die vorhanden Fußgängerampeln genutzt werden, um das Ausfahren zu erleichtern.
Eine Vielzahl von Details bleibt im Übrigen zu klären. Wo soll das Busfahrer-Klo hin, soll es eine öffentliche Toilette geben? Die Antwort der Verwaltung „ja, wenn das gewünscht wird“ konnte da nicht so recht überzeugen, jeder kennt die Kostenprobleme des öffentlichen „Mal-Müssens“. Was wird aus den alten Linden am Bahnhof und aus den Aufenthaltsmöglichkeiten ohne Konsumzwang, die der alte Bebauungsplan enthält? Die Linden sind gefährdet durch die Verlegung des Buswendeplatzes näher an den Bahnhof heran, eine Raum-Konzession der Stadtverwaltung an Stroetmann; zurzeit wird untersucht, ob die Linden den geplanten Tiefbau für die Busspur überleben können. Und die Aufenthaltsmöglichkeiten weichen genau wie die alte Busschleife dem Supermarkt-Gebäude – geschuldet dem Dilemma zwischen Platzbedarf des Projektes und vorhandenem Raum. Weiterhin wurde angesprochen, wo in Zukunft die Altglas-Container stehen sollen, die der Parkpalette weichen müssen; möglicherweise werden dafür Parkplätze an der Bergiusstraße entfallen müssen. Schließlich die kleine Frage: was ist mit Würstchenbuden auf der Passerelle? Bei näherer Betrachtung gar keine so unwichtige Frage. Wer einmal die Fettschwaden vom Hühner-Bräter auf der Marktallee „genossen“ hat, weiß: das geht gar nicht. Stroetmanns Verweis auf die Handlungsfreiheit des Mieters, d.h. Wiewels war da arg kurz gesprungen, bei so vielen Kompromissen am Bahnhof sollte uns wenigstens das erspart werden.
Der Baubeginn wird für Ende 2014 erwartet, noch vor endgültiger Verabschiedung des (Änderungs-) Bebauungsplans, 2015 können wir also mit einem neuen Bahnhofsumfeld rechnen – passend zum Umbau der Gleisanlagen durch die Bahn und zusammen mit dem Umbau der Busschleife. Offen bleibt hier der Termin, wann wir mit dem Bau der Parkpalette rechnen können: auch hier ist der Rat gefordert, ohne diese Erweiterung der Parkmöglichkeiten bricht sonst Chaos am Bahnhof aus.
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