Untote in Hiltrup / 3.03.13
Die Kultur soll Alles richten: Stadthalle, Museum und Bahnhof?
Hiltrup ist kulturell im Aufwind. Überall sprießen die Pläne, Grundrisse und Konzepte werden breit diskutiert, manchmal kommt auch der Baukran: 5330 Quadratmeter Nettogrundfläche in der Stadthalle fassen kaum den Zustrom der Ideen und Besucher, 180 Quadratmeter Hiltruper Museum platzen aus allen Nähten und werden demnächst erweitert, 421 Quadratmeter Winfried-Borgmann-Forum sind ständig ausgebucht, und mit seinen Chansons musste Jean Claude Séférian sogar schon mal in die Aula des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums ausweichen.
Da ist es kein Wunder, wenn sich der Andrang so aufstaut, man muss kreativ über neue Projekte nachdenken. Eins möchten wir hier vorstellen.
“Inhalt des Projektes ist es, das für Hiltrup (auch historisch) so wichtige große Schulzentrum im Einflussbereich der Hiltruper Bürger zu erhalten. Weiter wird das Quartier rund um Stadthalle und Hallenbad durch die Überarbeitung der baulichen Gegebenheiten ein wesentlicher Punkt für das Entree sein.
Die innere Gestaltung der Stadthalle soll nach Vorstellung der Projektgruppe vielseitig nutzbar sein. Hier soll den Hiltruper Vereinen, Familien und Bürgern die Möglichkeit des Treffens geboten werden.
Kulturelle Veranstaltungen mit kleinerem Volumen können hier sowohl von privaten Theatergruppen, professionellen Theatern oder der Hiltruper Kulturbühne (Bestandteil der Stoff) angeboten werden. Kinoveranstaltungen und / oder Ausstellungen soll Raum geboten werden. Die Räume eignen sich als Proberäume sowohl für Musik als auch Theater. Es wird noch an einem Konzept für ein Jugendkaffee gearbeitet. Natürlich lässt sich nicht alles gleichzeitig umsetzen. Bis zum Ende der Erprobungsphase kann aber mit einer Realisierung gerechnet werden. Bis dahin soll die Organisation und Steuerung in den Händen der Projektgruppe Stadthalle bleiben. Angedacht für die anschließende Organisation ist eine „Steuerungsgruppe Stadthalle“ (Arbeitstitel), die eventuell das Management der „Kulturhalle Hiltrup“ führt. Denkbar ist, dieses Management einer sozialen Einrichtung zu übertragen, die Beschäftigungs- und Eingliederungsfelder benötigen. (Auszug aus dem Antrag)”
Schön! Wo gibt es solche Stadtteilkultur sonst in Münster?
Wenn Sie in diesem Text jetzt noch “Stadthalle” durch “Bahnhof” und “Kulturhalle Hiltrup” durch “Kulturbahnhof” ersetzen, haben Sie exakt den Stand von 1989. Einen Jugendtreff forderte die SPD, das alte Bahnhofsgebäude wollte die Bahn verkaufen und der Käufer wollte ein Jugendcafé mit Musikbühne schaffen.
Oder war es der Stand des Jahres 2000, als die SPD Räume für öffentliche Kultur und Jugendarbeit am Bahnhof forderte? Oder doch erst 2003, die SPD kämpfte für einen Kulturbahnhof Hiltrup mit einer Nutzung als Tagungs- und Ausstellungsort für Vereine, Institutionen und andere Hiltruper Gruppierungen?
Nein, ganz im Ernst, wir reden über das Jahr 2013. Die Hiltruper Stadtteiloffensive (STOFF) will “die Lebensqualität in Hiltrup mit diesem Projekt stabilisieren bzw. steigern”. STOFF will das Bahnhofsgebäude mieten und vermarkten (“Kostengünstige Anmietung und Vermarktung durch STOFF”), STOFF will Ankermieter sein: “Kultur zieht Gewerbe, Bewohner, Gastronomie”.
Nun ist das mit den Ankermietern so eine Sache. Da war mal ein freier Träger der Jugendhilfe im Gespräch, der brachte immerhin eine solide Finanzierung aus städtischen Mitteln mit – und musste beim Hiltruper Bahnhof passen. Nette Idee, nicht finanzierbar. Aber bei STOFF ist das ja anders! STOFF hat Geld! STOFF wollte 80.000 Euro aus dem städtischen Haushalt (“Sparkassenüberschüsse” nennt man das ganz verschämt) und den Rest mit dem Klingelbeutel eintreiben. Und wenn das nicht klappt, haften dann vielleicht all die ehrenwerten Hiltruper Bürger, die als Vereinsmitglieder von STOFF ja auch für die vom so visionären Vorstand verursachen Schulden aufkommen müssten…
Jetzt werden schon mal Mietverhandlungen mit der Firma Holtz geführt, eine bunte Projektbroschüre an lokale Politiker und Medienvertreter verteilt und das alles bislang ohne Mandat der Vereinsmitglieder, denen das Projekt noch nicht einmal vorgestellt wurde. Kann es sein, dass hier eifrige Vereinsvorstände zielstrebig auf die Katastrophe zusteuern? Sie übersehen doch schlicht und einfach, dass die uralte Idee vom Kulturbahnhof inzwischen mit einem sehr veränderten Umfeld konfrontiert ist:
Die für einen Stadtteil wie Hiltrup riesigen Flächen des Stadthallenkomplexes stehen zur Disposition, auch die Schulen haben sich zurückgezogen. Eine Arbeitsgruppe von Verwaltung und Politik erarbeitet gerade Positionen zu Nutzungsbedarf, Nutzungskonzepten, baulichen Lösungen, eventuellen bürgerschaftlichen Trägerschaften – und dieselben Akteure, die einerseits laut für eine Erhaltung der Stadthalle kämpfen oder je nach Wetterlage für einen Bürgerhallenneubau an einem anderen Standort, betreiben andernorts in der STOFF das Konkurrenzprojekt Kulturbahnhof. Die Zielvorstellung für einen Kulturbahnhof “Tagungs- und Ausstellungsort für Vereine, Institutionen und andere Hiltruper Gruppierungen” ist exakt deckungsgleich mit dem, was Stadtkämmerer und Politik unter dem Titel “Bürgerhalle” diskutieren.
Aber das ist nicht Alles. Seit die Hiltruper SPD sich in der Vergangenheit für einen Kulturbahnhof stark gemacht hat, ist nicht nur die Unterscheidung zwischen Wünsch-dir-was der Vereine und echtem Nutzungsbedarf (und Finanzierungsmöglichkeiten) der Stadthalle schärfer geworden: weitere Flächen sind auf den Markt gekommen. Das Hiltruper Museum, einst sehr bescheiden gestartet in der Wentruper Mühle, etablierte sich schließlich in der Alten Feuerwache und wird zunehmend als “Tagungs- und Ausstellungsort für Vereine, Institutionen und andere Hiltruper Gruppierungen” angenommen. Dann gibt es da auch noch das Begegnungshaus 37 Grad: “eine Einrichtung für Bürgerinnen und Bürger im Süden Münsters”, Kinderpädagogik, Jugendarbeit , Jugendhilfe – Schule, Familienbildung & Kurse, Stadtteilarbeit, für kleines Geld kann man dort Räume mieten.
Wie GROSS sind denn die Kulturschaffenden in der Stoff eigentlich? Brauchen sie ständig zeitgleich so viel mehr Platz als er schon heute in den städtischen Gebäuden (Stadthalle, Museum, 37 Grad, Schulaulen und im Obergeschoss der Bezirksverwaltungsstelle) zur Verfügung steht? Und wenn sie mehr Platz bräuchten: Der rührige Museumsverein betreibt gerade einen Erweiterungsbau. Mit Rückenwind aller Hiltruper Parteien.
Man muss heute einfach zur Kenntnis nehmen, dass über die schöne alte Idee des Kulturbahnhofs Hiltrup die Zeit hinweggegangen ist. Wenn die STOFF “den für Hiltrup (auch historisch) so wichtigen Bahnhof im Einflussbereich der Hiltruper Bürger” erhalten will, ist das wohl eher Nostalgie. Das alte Bahnhofsgebäude ist verkauft. Die Bürgerschaft hatte sich entschieden, sah keinen öffentlichen Bedarf und wollte keine öffentlichen Mittel hineinstecken.
Um es ganz klar zu formulieren: Heute muss der Investor selbst zusehen, wie er mit dem alten Ding Geld verdient. Ohne versteckte Subventionierung unter dem Kultur-Etikett. Kann er das nicht, soll er den Bahnhof 2014 zurückgeben – dann müsste man neu nachdenken; aber dann gibt es auch einen neuen Stand bei Bürger(Stadt-)halle und Museum.
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