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Straßenbau mit Ideologie? / 13.07.11

Privatfinanzierung ist nicht die Lösung

Da haben wir wieder die altbekannte Diskussion: privat vor Staat, alles andere sei Ideologie, die Westfälischen Nachrichten (WN vom 13.7.2011) blasen mächtig ins Tutehorn und faseln von leeren Kassen der Landesregierung. Das Land werde den Ausbau der A1 nicht konventionell finanzieren können – Recht haben die WN, denn das Land ist hier gar nicht gefragt: die Autobahnfinanzierung ist nun mal Sache des Bundes. Hat der Herr Kommentator wohl nicht gewusst.

Das Land erledigt Planung, Bau und Betrieb im Auftrag des Bundes, und ein verantwortungsvoller Auftragnehmer macht seinem Auftraggeber auch Vorschläge, wie er vernünftig mit dem Geld der Steuer- und Mautzahler umgeht. Deshalb geht der NRW-Verkehrsminister in die Öffentlichkeit und wendet sich gegen die Privatisierung von Autobahnen in NRW.

„Ideologie statt Vernunft“ titeln die WN. Ja, richtig: die Vernunft spricht gegen die PPP-Modelle. Wer fordert sie seit Jahren? Die Bauindustrie. Nicht uneigennützig. Denn im Bauen von Straßen liegt nicht der große Reibach, hier hat es über lange Zeit einen scharfen Preiswettbewerb zwischen den internationalen „Großen“ gegeben. Gewinnträchtig sind dagegen die Betreibermodelle, wenn die Industrie öffentliche Infrastruktur für Jahrzehnte in die Hand bekommt. Dahin will die Bauindustrie auch in Deutschland.

Eine Bauindustrie, die eins ganz genau weiß: Baukosten lassen sich selten genau vorauskalkulieren. Wenn die Baustelle erst mal läuft, tauchen plötzlich neue Probleme auf – in den Nachtragsverhandlungen mit dem Auftraggeber liegt bekanntlich der Segen. Und dies Risiko will die Bauindustrie selber tragen? Genauso wie das Risiko von Klimakapriolen, die im Winterdienst unvorhergesehen viel Geld kosten können?

Es liegt auf der Hand: wer sich um ein privates PPP-Modell auf der A1 bewirbt, der muss all diese Risiken in seine Kalkulation einbauen, zusätzlich zu seinen Gewinnerwartungen. Und das soll billiger sein?

Verdeckte Schuldenmacherei nennen andere dies Verfahren. Der Bund tritt in diesen Modellen auf Jahrzehnte hinaus einen Teil seiner zukünftigen Mauteinnahmen ab. Die Belastung entspricht im Ergebnis einer zusätzlichen Kreditaufnahme durch die öffentliche Hand, die finanziellen Lasten werden der kommenden Generation aufgebürdet. Unterschied: bei PPP sind die Lasten noch höher, Gewinn- und Risikozuschläge der Industrie müssen mitbezahlt werden, und natürlich höhere Zinsen, weil keiner so günstig Geld leihen kann wie der Bund. In die dringende Haushaltskonsolidierung passt so etwas überhaupt nicht.

Darüber hinaus gibt es viele weitere gute Gründe gegen PPP. Der tägliche Unterhalt einer Autobahn ist einfach billiger und besser zu machen, wenn man ein zusammenhängendes Netz betreut und nicht nur 50 km. Die Mehrkosten solcher Insellösungen soll der Steuerzahler berappen? Nicht doch.

  1. Klar, alles privatisieren! Die WN hat wohl die letzten 10 Jahre verpennt. Den blühenden Wettbewerb auf dem Energiemarkt oder den hervorragenden Bahnverkehr in England kann Sie wohl nicht meinen? Sonst würde Sie wohl nicht so übereifrig Staats-Eigentum an Investoren verschenken wollen…
    Peter Müller    18.07.11    #

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