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Forensik in Amelsbüren: Tor zur Freiheit? / 13.04.11

Viel Landschaft und mittendrin eine Baustelle. Der Weg endet vor einem Tor, Format: Scheunentor. Es ist offen, ein kahler Raum, am anderen Ende öffnet er sich zu einem Dorfplatz. Ein neues Dorf im Münsterland?

Die Besuchergruppe vor dem Tor vervollständigt sich langsam, Fraktion-vor-Ort, die Ratsfraktion der SPD und die SPD-Ortsvereine Hiltrup-Berg Fidel und Amelsbüren wollen sich die neue Forensik in Amelsbüren ansehen – und die Forensiker: Alexianer-Geschäftsführer Dransfeld, Forensik-Chef Privatdozent Dr. Seifert, Pflegedienstleiter Janßen. Am 15. April soll die Baustelle abgeschlossen sein, bis dahin werden sich die Handwerker noch sputen müssen. Das große Tor wird sich dann schließen: es ist der einzige Zugang zum ganzen Gelände, und durch den kahlen Raum wird man nicht mehr auf den Dorfplatz blicken können, denn diese Schleuse wird immer zu sein, entweder das innere oder das äußere Tor oder beide.

Und sonst? An das Torgebäude schließt sich ein High-Tech-Zaun an, hoch, stachelig, mit allerlei mechanischen und elektronischen Überraschungen für den, der hinauf klettern will, filigran und wirksam. Erdwälle auf beiden Seiten des Zauns erinnern auf den ersten Blick an ein Indianer-Fort, aber sie sind nur Deko, sollen den martialischen Anblick abmildern.

Die Gruppe wandert über den Dorfplatz – die Anlage ist bewusst einem Dorf nachempfunden – und schwenkt ab zur Kapelle. Ein besonderer Wunsch der Alexianer, ein Ruheraum und sakrales Angebot, schlicht und geschmackvoll gestaltet. Wer wird es nutzen, wie und mit welchem Stellenwert wird es in die Therapie zu integrieren sein, wie wird es funktionieren? Die Praxis soll es zeigen, man wird sehen.

Daneben die Sporthalle. „Auf die Couch legen und über Mama und Papa reden, das kann man auch machen, das wird bei den zukünftigen Bewohnern aber nicht im Vordergrund stehen“ – Sport soll ein wichtiger Zugang zu den intelligenzgeminderten Straftäter-Patienten sein.

Dann der Überblick über die Struktur der Klinik. Aufnahmestation mit Stationszimmer, Gemeinschaftsraum, Einzelzimmern (14,5m² mit Bad) und Kriseninterventionsraum. Noch liegt überall der Staub der Bauarbeiter, die Räume sind kahl. Keine Gitter. Bewusst keine Gitter, um wenigstens einen Anschein von Normalität zu wahren, dafür Fensterflügel so schießschartenschmal, dass gerade eine Hand hindurchpasst. Ob das im Sommer ausreicht, um ein wenig Luft zu bekommen? Man wird sehen. Klimaanlage gibt es nur im Kriseninterventionsraum, weil der rundum geschlossen ist.

Geschlossen sind auch die Einzelzimmer in der Nacht, ab 20h ist Einschluss. Nicht optimal aus therapeutischer Sicht, aber: aus einem Tagessatz von knapp 230 Euro lässt sich das sonst nötige Personal nicht finanzieren. Der Tagessatz ist keine Verhandlungssache, den diktiert das Land, und die Klinik muss sehen wie sie damit zurechtkommt. 75 Stellen gibt das Budget her für 54 Patienten, wird das reichen, ist da Burnout als inneres Sicherheitsproblem vorprogrammiert? „Nein“, Pflegedienstleiter Janßen verweist auf professionelle Personalführung und verpflichtende Supervision. Kein einfacher Job, auch das Personal sitzt tagsüber hinter geschlossenen Türen.

Was passiert, wenn etwas passiert, ist die Nachfrage. Feuer? Da gibt es ein ausgefeiltes Sicherheitsmanagement, mit der Feuerwehr kommt auch gleich die Polizei, man geht kein Risiko ein. Und wenn ein Mitarbeiter angegriffen wird? Janßen setzt auf Professionalität der Mitarbeiter, Personen und Situationen einzuschätzen. Und natürlich auf Technik: wer einen Notruf auslöst, wird geortet, man weiß, aus welchem Gebäudeabschnitt oder welchem Planquadrat des Geländes der elektronische Hilferuf kommt.

Therapiestation, Arbeitsbereich. Was werden die Patienten hier arbeiten? Die Alexianer betreiben nebenan eine Werkstatt für Behinderte, man wird kooperieren, aber die Erwartungen sind nicht allzu hoch: Heranführung an einfachste Tätigkeiten, eine Art Beschäftigungstraining wird für eine Reihe von Patienten anstehen.

Die Reha-Station ist offensichtlich der Stolz der Forensiker vor Ort, man sieht Wohnbereich und Einzelzimmer, je zwei teilen sich ein Bad, ein eigener Zimmerschlüssel schafft etwas Privatheit. Vorbereitung auf ein Leben außerhalb der Klinik steht hier an – es wird wohl ein Leben im Heim oder in betreuten Wohngruppen sein. Diese „Perspektive Freiheit“, wer wird sie überhaupt bekommen, und nach welcher Zeit? Man wird sehen. Hat das Haus eine Einschätzung, wie viele nach 5 und wie viele nach 10 Jahren heraus dürfen, wie viele noch viel länger, vielleicht dauerhaft drin bleiben? Man wird sehen, die Tendenz geht in den forensischen Einrichtungen generell in Richtung längere Aufenthaltsdauer. Im Umfeld der Amelsbürener Forensik werden Entlassene jedenfalls nicht bleiben, es sei denn sie stammen aus Amelsbüren.

Sicherheit ist gefordert, „die Politik“ reagiert auf Untaten mit der Forderung nach schärferen Gesetzen und schärferen Strafen, Fehlprognosen können fatale Folgen haben, das allgemeine Sicherheitsgefühl sinkt. Aber tatsächlich „passiert“ nicht mehr als früher, und wollen wir den Weg in amerikanische Verhältnisse gehen: 1% der Bevölkerung hinter Gittern?

Nachdenklichkeit bleibt, als wir uns vor dem großen Tor verabschieden. Wir brauchen eine menschliche Lösung für die intelligenzgeminderten Straftäter, die im Juni nach Amelsbüren kommen, müssen alle Möglichkeiten der Rehabilitation ausschöpfen.

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