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Restfalen und kein Ende: Wolfgang Riotte zur Verwaltungsstrukturreform / 23.10.08

Staatssekretär a.D. Wolfgang Riotte am 23.10.2008 im Landeshaus Münster

Staatssekretär a.D. Wolfgang Riotte am 23.10.2008 im münsterschen Landeshaus

Staatssekretär a.D. Wolfgang Riotte ist ein ausgewiesener Kenner der Verwaltung und der Möglichkeiten, ihr Beine zu machen. Die SPD-Fraktion in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe und die ASJ Münsterland hatten ihn eingeladen, am 23.10.2008 im münsterschen Landeshaus über Verwaltungsstrukturreform zu referieren, über die von Rüttgers gewollte Dreiteilung des Landes und die Folgen für Westfalen.

Sein Urteil über die bisherigen Schritte des Verwaltungsumbaus fiel zurückhaltend aus: Die Polizei hat mit einer Verdreifachung der Schnittstellen zu kämpfen, aber die Nagelprobe in Form eines (Katastrophen-) Großeinsatzes steht – zum Glück – noch aus. Der Schulbereich muss mit wenig systematischen Organisationsänderungen zurechtkommen, allerlei Ärgernisse muss die Schulministerin ausbaden. Die Aufgabenverlagerungen zu den Kommunen sind nur bis 2014 voll finanziert, danach könnten eventuell Qualitätsverluste drohen.

Für die Zukunft steht aber noch ein plakativ beworbenes Großprojekt an: Rüttgers will die beiden Landschaftsverbände und zwei westfälische Bezirksregierungen auflösen und stattdessen Personal und Aufgaben auf drei Regionalpräsidien verteilen. In diesen Mammutbehörden mit jeweils mehr als 10.000 Beschäftigten sollen staatliche und kommunale Aufgaben unter ein Dach und eine Leitung.

Riotte machte deutlich, dass hier die Probleme der Verwaltungsstrukturreform erst richtig anfangen.

Schon Clement hatte feststellen müssen, dass die Aufgaben der Landschaftsverbände auch in Zukunft erledigt werden müssen, dass sie aber für die einzelnen Städte und Kreise zu groß bzw. zu speziell sind.

Rüttgers steht jetzt vor demselben Problem. Löst er – wenn CDU und FDP ihm überhaupt folgen – die Landschaftsverbände auf, muss er für die Kliniken, Schulen, Museen usw. der Landschaftsverbände eine Vielzahl von neuen Zweckverbänden gründen: ein irrsinniger Aufwand, und wie soll der Finanzausgleich zwischen den Beteiligten geregelt werden? Die Leitung der neuen Super-Behörden müsste aus rechtlichen Gründen kommunal sein: werden die staatlichen Aufgaben dann gleich wichtig genommen, wird die Landesregierung sich in den Regionen gegenüber den starken Regionspräsidenten noch durchsetzen können? Für den Zuschnitt der „Region Ruhrgebiet“ fehlen belastbare Kriterien: zählen Hamm, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg oder Wesel dazu? Oder gibt es nur eine kleine Kernregion um Essen mit annähernd gleichen Problemen und Interessen? Und was wird nach der geplanten Dreiteilung aus den dann noch 5,1 Mio. Westfalen, wenn eine große Ruhrgebietsregion 5,2 Mio. Einwohner hat und das Rheinland 7,8 Mio. – nur noch ein Restfalen?

„Das Thema ist noch nicht erledigt“ wäre ein denkbares Resümee solcher Erwägungen. Das Schicksal der Idee „Region Ruhrgebiet“ wird stark davon bestimmt werden, wie sich Dortmund und Duisburg entscheiden, d.h. ob sie in einen großen Verbund streben oder die Zusammenarbeit mit ihrem Hinterland pflegen. Die in der Vergangenheit oft bemühte platte Formulierung von der „Übermöblierung der Verwaltung“ hat sich als Leerformel erwiesen. Die Vorteile von Großbehörden durch Synergieeffekte im Overhead-Bereich können sich schnell ins Gegenteil verkehren: kleinere, kaufmännisch geführte Einheiten können wesentlich beweglicher und effizienter sein.

So bleibt als Ratschlag an alle Entscheidungsträger in diesem Spiel: Vorher den Veränderungsaufwand sorgfältig einschätzen und dann abwägen gegen das realistisch bemessene Einsparpotential! Bei den Landschaftsverbänden sieht Riotte ein wesentliches Einsparpotential jedenfalls nicht.

Für die Wähler bleibt noch ein Ratschlag anzufügen: trau keinem Politiker, der sich brüstet so und so viele Behörden aufgelöst und „Planstellen“ eingespart zu haben; frag ihn, was es wirklich gekostet hat und wie viel dadurch nachweislich eingespart ist – wenn er das nicht in Euro und Cent belegen kann, nenn ihn Angeber und wähl ihn ab!

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