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Ein kleiner Machtverlust der Lokalmedien? – Zum Ausgang des Bürgerentscheids / 28.04.08

Das Volk hat gesprochen – und mit einer angesichts der Vorgeschichte beinahe überwältigenden Mehrheit von über 70 Prozent gegen eine städtische Beteiligung an den Kosten einer Kultur- und Kongresshalle gestimmt.

Das Ergebnis überrascht in seiner Tendenz nicht, wenn man sich in den letzten Wochen einmal auf der Straße umgehört hat. Man fand kaum überzeugte Befürworter des Projekts.

Was aber überrascht, ist die Höhe des Ergebnisses. Wer sich in den letzten Wochen über die lokalen Medien informierte, musste beinahe zwangsläufig den Eindruck gewinnen, dass ein Projekt Musikhalle überlebenswichtig für die weitere Zukunft Münsters ist. Insbesondere sind hier die Westfälischen Nachrichten zu nennen, die seit Wochen eine massive Werbekampagne pro Musikhalle ausgetragen haben, die gerade in den letzten Tagen jede Ausgeglichenheit in der Berichterstattung vermissen ließ.

Las man vor einigen Wochen noch die Kommentare in dieser Zeitung, sah der Tenor in etwa so aus: Es wäre schön, wenn wir eine Musikhalle bekämen, sie hätte auch einen hohen wirtschaftlichen und kulturellen Wert für die Stadt – kommt sie aber nicht, geht das Leben weiter. Je näher wir uns aber dem Abstimmungstag näherten, desto aggressiver wurde die Berichterstattung. Die letzte Woche warteten die WN gar täglich mit jeweils einer kompletten Seite zu dem Thema auf, auf der freilich kein Platz für kritische Stimmen vorhanden war. Immer stärker wurde der Eindruck geschürt, ohne eine Musikhalle werde die Stadt in sich zusammenfallen, gar jeden kulturellen und sogar wirtschaftlichen (!) Anschluss an Restdeutschland verlieren. Man braucht nicht zu erwähnen, dass die Kampagne keinesfalls dazu dienen sollte, die Bürger in ihrem Entscheidungsrecht zu unterstützen, vielmehr wurden Ängste geschürt, um eine offensichtliche Mindermeinung massenkompatibel zu machen. Selbst die Unabhängige Wählergemeinschaft Münster – eigentlich ein erklärter Gegner des Projekts (man will dort lieber ein vorhandenes Kirchengebäude zur Musikhalle umbauen), wurde auf eine Weise zitiert, die eine tendenziöse Berichterstattung zum Ziel hatte. Statt nämlich ihren inhaltlichen Argumenten Raum zu geben, wurde lediglich eine Stellungnahme der UWG erwähnt, in der man sich von populistischen Methoden anderer Musikhallengegner distanzierte. Vielleicht war diese Wahrnehmung der Bürgerinitiative gegen die Halle tatsächlich berechtigt – allerdings ist es objektiv wohl kaum zu bestreiten, dass die weitaus stärker in den Medien vertretenen Befürworter in Sachen Populismus nicht nachstanden. Auf der Internetseite der CDU Münster wurde gar noch am Abstimmungstag ein Mitglied der Senioren-Union zitiert, der die Meinung vertrat, nur eine Musikhalle könne den Send retten, da das Land den Hindenburgplatz ja sonst anderweitig zubauen werde. Dass dies ein von der Gegenseite schon lange entkräftetes Argument ist (Stichwort Planungshoheit der Stadt) interessierte freilich nicht.

Auch wurden die inhaltlichen (=nicht populistischen) Argumente der Gegner der Halle weitgehend ignoriert. Kaum ein Wort wurde verloren über die sogenannten „privaten Spender“ (unter denen sich unter anderem gar nicht so private Unternehmen befinden, deren Spendengelder zudem sicher nicht aus den Gehältern der Vorstandsmitglieder stammen), die Frage nach den Folgekosten des Hallenbaus wurde systematisch weggeschoben („wer den Maßstab der Wirtschaftlichkeit an die Kultur anlegt, ist nicht ernstzunehmen“) oder beschönigt. Und wer es gar wagte, sich darüber zu beschweren, dass an allen Ecken und Enden gespart werde, für Neubauten aber eine beträchtliche Neuverschuldung in Kauf genommen werden sollten, wurde gar als Kulturfeind und Totengräber der Stadt dargestellt.

Übrigens ist es keineswegs das erste Mal, dass im Vorfeld eines Bürgerentscheids zu derartigen Mitteln gegriffen wird. Schon bei der Frage nach der Teilprivatisierung der Stadtwerke Münster vor einigen Jahren – CDU und FDP waren damals Befürworter des Projekts – fand im Vorfeld der Abstimmung eine massive Panikmache statt, durch die der Eindruck entstehen sollte, ohne eine Teilprivatisierung seien die Stadtwerke nicht mehr konkurrenzfähig. Heute sehen wir das Gegenteil. Und auch die einst von der CDU propagierte, für die Stadt so wichtige Tiefgarage unter dem Ludgeriplatz wurde ganz schnell unbedeutend, als sich durch sie keine Wählerstimmen mehr fangen ließen.

Weiterhin fällt auf, dass die von den Medien im Vorfeld des Bürgerentscheids organisierten Abstimmungen ganz andere Ergebnisse zeigten, als der jetzige Bürgerentscheid sie zu Tage brachte. So veröffentlichte Radio AM erst am Freitag das Ergebnis einer (natürlich niemals als repräsentativ dargestellten) Hörerbefragung, bei der sich eine große Mehrheit für die Musikhalle aussprach. Hier darf die Frage gestellt werden, ob es sich eher um ein Zeichen für die oben ausgeführte einseitige Berichterstattung ist, was dann wohl negativ zu beurteilen wäre. Der Leser sollte sich selbst ein Bild machen.

Was auch immer die Zukunft bringen wird, zu einem darf man die Bürger Münsters beglückwünschen: Man hat sich seine eigene Meinung gebildet, wie das in einer demokratischen Gesellschaft gewünscht sein sollte. (cw)

Hiltruper Abstimmungsergebnisse Mit fremden Federn: Münster in Moll