Rüttgers und die Linken / 20.03.08
Der Arbeiterführer ist Rüttgers Lieblingsrolle. Im Düsseldorfer Schmierentheater tritt er gern vorn an die Rampe und gibt den Volkstribun, der für die Entrechteten kämpft. Laut, dass ihn ja keiner überhört. Und mit so viel falschem Pathos, dass dem Zuschauer die Spucke wegbleibt.
Dabei immer an der Spitze der Bewegung: wo sich mehr als zwei Leute auf der Straße ihr Leid klagen, ist er dabei. Sofort hält er mit: die Unterschiede zwischen Arm und Reich werden größer, zwischen Ost und West, zwischen Gebildeten und Ungebildeten – „die Politik muss wieder stärker für die Einheit des Landes kämpfen“. Turbokapitalismus? „Der angelsächsische Kapitalismus wird sich auf Dauer nicht durchsetzen. Der Turbokapitalismus gefährdet die soziale Marktwirtschaft und die Demokratie.“ Christliche Soziallehre? „Der Shareholder-Value, der sich ausschließlich am Aktienindex orientiert, ist reiner Materialismus.“
Dazu noch ein paar kleine, unverbindliche Bonbons fürs staunende Volk: wer Hartz-IV bezieht, dem will Rüttgers erlauben, 30.000 bis 40.000 Euro auf dem Sparbuch zu behalten.
Und warum das alles? Richtig, Rüttgers sagt es selbst: weil die CDU mit solchem Geschwätz auf die enttäuschten Wähler zielt. Denen soll was vorgemacht werden. Darum geht’s, nicht um Inhalte. Denn was die Inhalte angeht, da hat die CDU viele Jahre Verantwortung getragen und trägt sie noch, und in diesen Jahren hat sie nichts von dem umgesetzt, was Herr Rüttgers jetzt als pseudosozialistisches Geklingel verkauft. Und die Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen, die findet die CDU ganz prima, nur will sie das nicht so ehrlich und deutlich sagen.
Eine große Koalition gibt es da zwischen den Herren Rüttgers und Lafontaine: vollmundig Stammtischparolen verkünden – aber im täglichen Politikbetrieb nichts davon umsetzen. Oder hat schon jemand gehört, was Herr Rüttgers Weltbewegendes gegen die Unterschiede zwischen Arm und Reich unternommen hat? Beim Thema Mindestlohn zum Beispiel sitzen die Bremser in der Union. Sie halten es lieber mit der FDP: Leistung muss sich lohnen. Auch wenn die Leistung daraus besteht, Unternehmen und Banken vor die Wand zu fahren.
Quelle Rüttgers-Zitate: WN 20.3.2008. Das von der WN in der Printausgabe verwendete Foto ist unfreiwillig entlarvend für diese Art von Politik: es dürfte vom Nokia-Auftritt Rüttgers’ in Bochum stammen und zeigt einen Ministerpräsidenten, der redet, aber keine Arbeitsplätze sichert, und im Hintergrund eine ratlose Wirtschaftsministerin. In der Online-Ausgabe ist dies kompromittierende Foto ersetzt.
Nur in der WN passen Rüttgers’ Schulideologie („Deshalb ist es unverantwortlich, die Hauptschule aus ideologischen Gründen einfach schlecht zu reden.“) und der Koalitionspartner FDP zusammen. In Wirklichkeit sieht die NRW-FDP dies Thema ganz anders, aber das hätte nicht gepasst zu Rüttgers’ Friede-Freude-Eierkuchen-Floskeln über das Verhältnis zur FDP.
3.4.2008: Diskussionsveranstaltung Gesundheit und Pflege im Umbruch Waterboarding bleibt