22.10.2007: SPD Münster diskutiert DB-Privatisierung / 23.10.07
Die Diskussionsrunde, zu der Svenja Schulze ins Stadthotel eingeladen hatte, hätte nicht pointierter besetzt sein können: Martin Burkert MdB als DB-Lobbyist und ehemaliger Gewerkschaftssekretär der TRANSNET auf der einen Seite, Christoph Strässer MdB als Moderator in der Mitte und Dr. Hartmut Buyken auf der anderen Seite, stellvertretender Bundesvorsitzender von ProBahn e.V. und damit Vertreter der Bahn-Kunden.
Einige Aussagen waren schnell in den Raum gestellt: Die Bahn braucht Geld! 60 Milliarden Euro! Das Schienennetz ist marode, neue Fahrzeuge müssen gekauft werden, und wenn die erwartete Verdoppelung des Güterverkehrs aus den Containerhäfen der Nordsee bis 2015 kommt, braucht sie noch mehr Geld. Güter sollen auf die Bahn, Wettbewerb gibt es schon genug, 362 Verkehrsunternehmen sind auf deutschen Schienen unterwegs. Wir (wer eigentlich?) wollen mehr Einfluss auf den Bahn-Konzern, wollen mitreden bei Grundstücksverkäufen und Kreditaufnahme. Die Bahn soll von der untersten Schraube bis zum obersten Fahrdraht alles selbst machen, und vor allem soll sie das Schienennetz in der Hand behalten, auch wenn das eigentlich dem Staat gehört. Und die böse französische Konkurrenz mit dem schädlichen TGV, die soll natürlich auch nach der Öffnung des Marktes 2010 nicht in Deutschland fahren.
Ach, das ganze Ding soll ja auch noch Aktien ausgeben und Geld hereinholen, aber die neuen Aktionäre sollen nichts zu sagen haben – stimmrechtslose Volksaktien müssen her. Die Dividende zahlen wir notfalls aus Steuermitteln.
Alles klar?
Nein, die Gegenposition hieß: Wir wollen eine echte Privatisierung, und Netz und Betrieb müssen getrennt werden. Wir Bahn-Kunden wollen im Betrieb bessere Qualität durch richtigen Wettbewerb, und das auch im Nahverkehr und nicht nur auf den renditeträchtigen Hauptstrecken; den Einstieg von Investoren wie Gazprom beim Netz sehen wir mit Sorge.
Und wo soll’s langgehen?
Da gab es viele Fragen, auch von den anwesenden Vertretern von Privatbahnen, und nicht immer befriedigende Antworten:
- Wer soll die Bahn denn kaufen? Investoren wollen Rendite! (und Einfluss!)
- Kommt durch einen Verkauf das nötige Geld zusammen? Wenn alle 229.000 Bahnmitarbeiter je 5 Volksaktien à 20 Euro kaufen, bringt das schlappe 22,9 Millionen Euro.
- Der Bund will mehr Einfluss auf die Bahn, verringert seinen Einfluss aber durch die Rechtsform der Aktiengesellschaft und den Aktienverkauf – was soll das eigentlich?
- Wie stellt ihr euch eigentlich Verkehr in 20 – 30 Jahren vor, wenn es kein Öl für all die PKW mehr gibt?
- Die Zahl „362 private Konkurrenten für die DB“ ist reine Augenwischerei: Wie soll es Planungssicherheit und damit echte Konkurrenz geben, wenn die DB-AG das Netz in der Hand hat und den Konkurrenten Schwierigkeiten jeder Art machen kann, angefangen beim Abbau von Weichen und Begegnungsgleisen bis zur Vergabe von Trassen? Da beschwert man sich noch nicht einmal, weil man das beim nächsten Mal heimgezahlt bekommt!
- Wie will der Bund wirklich Einfluss auf das Netz behalten und Diskriminierung privater Konkurrenten verhindern wenn nicht dadurch, dass er das Netz in der Hand behält und Wettbewerb beim Betrieb schafft?
- Warum soll das ein börsennotiertes Unternehmen sein, wenn hauptsächlich Steuergeld für Erhaltung und Ausbau des Netzes eingesetzt wird? 15 Jahre lang soll der Bund aus Steuermitteln jährlich 2,5 Milliarden Euro für das Netz an die DB-AG zahlen – die DB-AG will ganze 0,4 Milliarden beisteuern, und nach 15 Jahren soll der Staat das Netz von der DB-AG zurückkaufen?
- Die Schiene hatte in den letzten Jahren im Münsterland nicht mit der DB-AG, sondern gegen den Widerstand der DB-AG Erfolg; das Netz muss vom Betrieb der DB-AG getrennt werden, sonst werden alle Konkurrenten diskriminiert!
- Warum sollen die Privaten auf den Nebenstrecken überhöhte Trassenpreise bezahlen und damit den Fernverkehr der DB-AG auf den Neubaustrecken subventionieren?
Nach zwei Stunden war die Veranstaltung beendet, die Diskussion aber bleibt offen. Da hilft auch kein „wir müssen da irgendwie rauskommen“: ist es wirklich zwingend, dass der bisherige Monopolist, der das Netz bis heute nicht gut unterhalten hat, so weitermacht und sich alle Konkurrenz bequem vom Leibe halten kann? Lehrt uns die Entwicklung der Strompreise nicht gerade, dass der Verbraucher die Rechnung für solche Strukturen bezahlt?
Dass es auch anders geht, zeigt die Straße: der Bund plant langfristig und mit intensiver politischer Kontrolle den Ausbau und die Erhaltung und regelt die Finanzierung des öffentlichen Eigentums „Netz“ – den Verkehrsbetrieb auf der Straße besorgt der private Markt.
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