Muskelspiele / 30.10.13
Wir brauchen Konzepte für ein Internet der Bürger
Du musst nur deine Muskeln spielen lassen, dann bekommst Du was du willst. So ist es. Muscular heißt die Software, USA und Großbritannien spionieren uns damit aus. Jeden Einzelnen von uns. “Bombiges Wetter” bei Google als Suchwort eingegeben? Herzlichen Glückwunsch, im NSA-Hauptquartier gibt es jetzt eine Akte über dich. Konsequenzen? Keine, wirklich nicht? Schon mal am Flughafen gestanden, mit gültiger Einreiseerlaubnis für die USA, und trotzdem abgewiesen? Alles möglich.
Merkels Handy abgehört? Nicht wirklich überraschend. Überraschend (?) war nur die Dreistigkeit, mit der all die offiziellen Pofallas und Friedrichs das Ganze schönreden wollten. Noch dreister Merkels Aufschrei: 80 Millionen deutsche BürgerInnen dürfen ruhig von Herrn Alexander in den USA und seinen englischen Knechten überwacht werden, nur wenn die Kanzlerin selbst betroffen ist, ist das einen Aufschrei wert. Oder war es doch nur ein kleines Aufseufzerchen, so ein ganz liebes? “Ach Barack, wenn du es schon nicht lassen kannst, dann lass dich doch bitte bitte nicht dabei erwischen”?
Geheimdienste betreiben alle Länder, und das ist auch gut so. Wer nicht weiß, was rings um ihn abgeht, ist wehrlos. Staatliche Neugier muss sein.
Bürgerrechte stehen dagegen, stehen im Weg. Wie mit diesem Konflikt umgegangen wird, das macht Rechtsstaatlichkeit und Freiheitlichkeit einer Gesellschaft aus. Demokratie, Freiheit, das sind schöne Vokabeln, die mit Leben gefüllt werden müssen. Ihr Inhalt kann nicht daraus bestehen, Zivilisten im Irak zu töten oder in “wie hieß noch gleich dies Land, das wir gerade bombardieren?”. Genauso wenig besteht ihr Inhalt daraus, alle BürgerInnen lückenlos zu überwachen, jede Lebensäußerung zu registrieren und nach dem Geschmack irgendeiner Obrigkeit zu klassifizieren: genehm oder nicht genehm ist eben nicht die Frage. Erst recht darf sich keine Obrigkeit anmaßen, abseits aller Gerichte im Geheimen Todesurteile zu fällen und durch den Geheimdienst, neuerdings durch Drohnen zu vollstrecken.
Hier geht es nicht darum, den Verfall von Bürgerrechten und Rechtsstaatlichkeit in den USA und (viel näher) in Großbritannien zu beklagen. Uns in Deutschland muss es darum gehen, uns zu wehren. Wie schützen wir unsere Geheimnisse? Die privaten, die staatlichen, die Firmengeheimnisse? Mit einem Krypto-Handy oder Verschlüsselung der Emails ist es nicht getan; schwerfällig, aufwendig und kaum verbreitet sind diese Techniken. Aber warum zum Teufel müssen die Emails von Hiltrup nach Münster den Umweg über die britischen und amerikanischen Leitungen und Knotenpunkte nehmen? Warum muss das Telefonat der Internet-Telefonie denselben Weg nehmen? Warum bauen wir kein deutsches Netz, das allein deutschem Recht unterliegt und wo deutsche Polizei die Datendiebe jagen kann? Die Telekom und die anderen großen Betreiber haben den Nutzen, wenn wir vom guten alten, aber teuren analogen Festnetz auf die Internet-Telefonie umsteigen – dann müssen sie auch dasselbe Maß an Vertraulichkeit und Rechtsschutz garantieren. Und warum gibt es dann keine Warnhinweise im Internet “Sie verlassen den Rechtsstaat”, wenn die angesurfte IP-Adresse zu einem ausländischen Verbindungsknoten oder Server führt?
Die Engländer und Amerikaner werden wir nicht ändern. Nur unsere eigene Naivität müssen wir aufgeben – und Geld in die Hand nehmen zu unserem eigenen Schutz.
Anstelle des Taxis: Buslinie 10 verlängern Autsch: Goldener Boden