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Pflegeversicherung: Verraten bei der privaten? / 10.01.12

Gesetzliche Pflegeversicherung bietet besseren Service als Private

Jetzt habe ich den direkten Leistungsvergleich der Pflegeversicherungen in der Familie, und das Ergebnis ist ernüchternd: wirst Du alt und brauchst Pflegehilfe, bist Du bei der Privatversicherung schlecht aufgehoben.

Auf der einen Seite Großmutter 1: 88 Jahre alt, Pflegestufe 1, mit allerlei Unterstützung noch allein lebend; Hygienenotstand, die Badewanne ist für sie trotz Lifter nicht mehr nutzbar. Der medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen lehnt zwar die Höherstufung in Pflegestufe 2 ab, stellt aber nach Besichtigung des Badezimmers die Notwendigkeit des Badezimmerumbaus fest. Die Familie bestellt den Installateur, ein ebenerdiger Duschplatz, eine breitere Schiebetür, ein höheres WC und Haltegriffe werden eingebaut, 18000 Euro müssen aus dem Ersparten finanziert werden, 2557 Euro erstattet die DAK. Unbürokratisch und schnell, und Großmutter kann duschen.

Großmutter 2: 95 Jahre alt, noch etwas fitter, allein lebend; Hygienenotstand, die Badewanne ist für sie trotz Lifter nicht mehr nutzbar, die Dusche zu eng für Hilfestellung und zu gefährlich wegen der hohen Kante. Sie fällt und bricht die Kniescheibe, geht nach Operation in die Kurzzeitpflege; das Badezimmer muss umgebaut werden. Anruf bei der privaten Pflegeversicherung: ja, Sie können mit dem Umbau schon anfangen, der medizinische Dienst wird kommen. Die Familie stellt einen Antrag bei der KfW und bestellt den Installateur, Badewanne und massive Duschtrennwand werden abgebrochen, ein ebenerdiger Duschplatz, eine breitere Tür, ein höheres WC und Haltegriffe werden eingebaut, 27000 Euro müssen aus dem Ersparten finanziert werden; mit Hilfe des Pflegedienstes kann Großmutter wieder duschen.

Nun kommt der private medizinische Dienst, Ergebnis: „Pflegestufe 1.“ Aber: „Nach dem vorliegenden Gutachten besteht kein Anspruch auf den Zuschuss für die Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes.“ Als Pflegehilfsmittel werden für notwendig gehalten: Rollator, Duschstuhl, Hausnotrufsystem, Toilettenstuhl, Stützgriff für Waschbecken und WC, Toilettensitzerhöhung. Das lange Schreiben der privaten Pflegeversicherung enthält sonst allerlei wohlfeile Ratschläge, zum Beispiel den: „So müssen zum Beispiel Duschabtrennungen auf beiden Seiten einer Dusche oder Duschtüren als pflegeerschwerend angesehen werden, weil es bei starren Abtrennungen der Pflegeperson erschwert wird Hilfeleistungen auszuüben.“

Die Familie reibt sich die Augen: genau deshalb hat man in den sauren Apfel gebissen und die feste Ummauerung des alten Duschplatzes abgebrochen! Also schriftlicher Protest gegen diese Entscheidung.

Es kommt der Herr Obergutachter: laute Stimme, fester Händedruck (viel zu fest für eine 95jährige). Und laute Sprüche: jawohl, so wie das Badezimmer jetzt umgebaut ist, ist das mustergültig. Nein, nötig sei das nicht, ein Badewannenlifter reiche aus. Ein Badewannenlifter – den hat die Familie gerade verschrottet, weil es damit nicht mehr ging. Gnädig lässt sich der Herr Obergutachter ein: ein an der Wand zu montierender Duschklappsitz sei nötig. Pflegebedürftigkeit im Alter, das wünscht man dem Kerl – aber Klage erheben, auf eigene Kosten zum Anwalt und zum Gericht gehen, um die Privatversicherung mores zu lehren? Die Familie knirscht mit den Zähnen.

Aber das ist noch nicht Alles. Die Familie reicht die Rechnung des Installateurs bei der privaten Pflegeversicherung ein, und was passiert? Genau, nichts! Auf telefonische Nachfrage beim „Servicetelefon“ erfährt sie: ach, das sei falsch gelaufen, ja ja, da gebe es ja schon Gutachen vom medizinischen Dienst, man werde sich kümmern. Und das Kümmern sieht so aus: Die Privatversicherung lehnt ab, weil auf der Rechnung des Installateurs die „10-stellige Hilfsmittelnummer“ fehlt. Dabei hat der verdammte „Obergutachter“ all das vor Ort besichtigt, und die Familie hat der Privatversicherung sogar noch Fotos geschickt!

Und jetzt? Jetzt soll die Familie den Installateur fragen, der soll gefälligst die „10-stellige Hilfsmittelnummer“ ermitteln („das ist doch Kundendienst, das kann der bei seinem Lieferanten erfragen“), sagt die Dame am „Servicetelefon“. Und wenn der Installateur die nicht liefert? Ja dann kann die Privatversicherung vielleicht doch auch ohne „10-stellige Hilfsmittelnummer“ ihre paar Kröten ausspucken, aber dafür muss erst wieder der Herr Obergutachter gefragt werden … und dieser ganze bürokratische Privatversicherungs-Mist blockiert derweil die Auszahlung des KfW-Zuschusses. Denn da muss man natürlich angeben, was die Pflegeversicherung zahlt …

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