Mit fremden Federn: Süddeutsche Zeitung zur Wahrung der Grundrechte gegenüber dem Verfassungsschutz / 16.05.07
“Wer schützt die Verfassung vor ihren Schützern?” überschreibt die Süddeutsche Zeitung am 16.5.2007 ihren Kommentar zum aktuellen Verfassungsschutzbericht und zu Grundrechtsverstößen des Gesetzgebers und der Sicherheitsbehörden:
”... Der wahre Verfassungsschutzbericht wird im Übrigen nicht in Köln geschrieben, wo dieses Bundesamt [für Verfassungsschutz] seinen Sitz hat, auch nicht in Berlin, wo der Innenminister residiert. Der wahre Verfassungsschutzbericht wird in Karlsruhe verfasst: Das Bundesverfassungsgericht schreibt mit seinen Entscheidungen den aussagekräftigen Report darüber, wie es um das Grundgesetz und um die Wahrung der Grundrechte in Deutschland bestellt ist. Kurz gesagt: nicht besonders.
Auf dem Feld der Innen- und Sicherheitspolitik hat das Gericht dem Staat jüngst mit einer ganzen Reihe von Urteilen eine ganze Reihe von Verfassungsverstößen attestiert; immer wieder warnte das höchste Gericht den Gesetzgeber und die Sicherheitsbehörden davor, Grundrechte grundsätzlich den echten oder vermeintlichen Interessen der inneren Sicherheit zu opfern. Indes: Das Lesen und Befolgen dieser Entscheidungen fallen der Politik immer schwerer. Die Politik der inneren Sicherheit hat sich von Karlsruhe abgekoppelt – und das Gericht hat keinen Gerichtsvollzieher. Es ist auf den guten Willen der anderen Staatsgewalten angewiesen. Wenn dieser gute Wille nicht vorhanden ist, dann wäre dies eigentlich ein Fall für den Verfassungsschutz. Aber das zuständige Bundesamt kann ja schlecht, siehe oben, das ihm vorgesetzte Ministerium und die Regierung kontrollieren.
Wie der Verfassungsschutz arbeitet, mit welchen Mitteln und Methoden – das ist nicht Gegenstand des Verfassungsschutzberichts, aber immer wieder Gegenstand von Skandalen. Die Frage, wer also die Verfassung vor ihren Schützern schützt, ist bissig, aber wichtig. Die Geheimdienstkontrolleure des Bundestages? Sie sind gutwillig und fleißig, aber objektiv überfordert. Wenn der Geheimdienst, wie dies der Fall ist, immer mehr polizeiliche Aufgaben übernimmt, dann muss er künftig auch so kontrolliert werden wie die Polizei: durch die Justiz.
Die Verrechtsstaatlichung des Verfassungsschutzes wäre also ein lohnendes Projekt zum Schutz der Verfassung.”
Verfassungs(bruch)minister? Abenteuer gefällig? Hiltrup per Bahn!