Bahrs Orakel / 3.01.11
Am Jahresende ist ja immer Orakelzeit, und wer hat’s nötig? Ja, richtig, unsere liebe FDP, die Partei der Besserverdienenden. Aus dem Projekt 18 ist das Desaster 3 Prozent geworden, und all die aufstrebenden Jungpolitiker möchten jetzt natürlich gern wissen, auf welches Pferd sie setzen sollen.
Fragen wir doch einen, der schon zu Zeiten der hitzigen Projekt-18-Tumulte seinen Weg suchte: Daniel Bahr hatte schon 2002 auf ein Pferd gesetzt. Das falsche.
Das – bildlich gesprochene – Pferd war ein gewisser Möllemann, der in diesem Jahr für Aufruhr sorgte: Antisemitismus wurde ihm vorgeworfen, und auch mit der Finanzierung seines Wahlkampfs waren (hinterher) nicht Alle einverstanden, um es vorsichtig auszudrücken. Bahr setzte auf dies Pferd, als andere es schon besser wussten: „Ich habe mit seinen Äußerungen zur israelischen Regierung kein Problem. Ich halte sie nicht einmal für überzogen“ zitierte ihn die Frankfurter Allgemeine am 24.5.2002; Möllemann hatte der israelischen Regierung „Staatsterrorismus“ vorgeworfen. Bahr hielt tapfer zu Möllemann, “Wir können auf keinen der beiden verzichten” (Süddeutsche Zeitung online 7.6.2002). Im November 2002 forderte die FDP-Spitze Möllemann ultimativ zum Parteiaustritt auf und drohte ein Parteiausschlussverfahren an. Wer hielt zu ihm? Richtig, Bahr (Netzeitung vom 1.12.2002). Der weitere Ablauf ist hier nachzulesen, Möllemann musste die Partei verlassen.
2010 haben wir von Bahr nicht mehr viel gehört. Als Staatssekretär muss er jetzt langsam Inhalt liefern, da reicht es nicht mehr aus, eine Apotheke zu besuchen und sich mit dem Apotheker fotografieren zu lassen. In den Medien erschien er nur kurz, nachdem er die „Kollegen“ von der CSU verbellt hatte und zurückgepfiffen worden war. Aber Ende 2010 gibt es wieder Pferdewetten: wird Westerwelle es schaffen? Oder muss er auf dem Dreikönigstreffen den Rückzug antreten? Bahr weiß es schon: „Westerwelle bleibt Vorsitzender. Jetzt ist Unterstützung gefragt“ (Westfälische Nachrichten vom 30.12.2010). Mal schauen, ob er 2010 auch falsch liegt. Übrigens: 2002 war Bahr auf der Seite desjenigen, der beinahe Westerwelle gekippt hätte.
Und sonst? Bahrs Orakel gibt Rätselhaftes von sich auch zu den Staatsfinanzen: „In NRW steigen die Schulden, während die Bundesregierung das Defizit verringert“ (Westfälische Nachrichten vom 30.12.2010). Ja kann der Mann denn nicht rechnen? Oder will er uns alle für dumm verkaufen? Die Bundesregierung macht munter neue Schulden, von Schuldenabbau keine Rede! Aber wie war das bei einem der ältesten Orakel? Pythia, das Orakel von Delphi, war schlicht und einfach benebelt – die Frau wusste nicht, was sie sagte!