Gas, Wasser, Strom, Bus - alles schlechter und teurer? / 16.02.07
Was braucht jeder zum Leben? Genau: ohne Gas, Wasser, Strom, Kanalisation, Müllabfuhr, Stadtbus, Bibliothek, Volkshochschule, öffentliche Bäder, öffentliche Wohnungsunternehmen geht es nun einmal nicht. Aber wieso soll das alles schlechter und teurer werden?
Die Frage hat einen komplizierten Hintergrund, und der nennt sich zum einen im Bürokratendeutsch “Gemeidewirtschaftsrecht” und zum andern “Dr. Rüttgers” bzw. “FDP”. Wenn wir hier versuchen, diesen Hintergrund darzustellen, geht es nicht um billige Panikmache. Es geht um eine rechtzeitige öffentliche Diskussion, bevor das Kind im Brunnen liegt – die aktuellen Zeitungsberichte über die teure Zerschlagung der Versorgungsverwaltung zeigen zu deutlich, wie teuer es werden könnte, wenn unser FDP-Innenminister sich durchsetzen würde.
Noch deutlicher sagen es inzwischen auch die ersten CDU-Kommunalpolitiker, z.B. die CDU-Fraktion im Rat von Rheine (WN 16.2.2007): Die Grenze der Zumutbarkeit sei erreicht, die geplanten Einschnitte im Gemeindewirtschaftsrecht könne man nicht mittragen.
Nur die münstersche CDU-Ratsfraktion schweigt. Muss sie schweigen, weil sie von Frau Möllemann-Appelhoff am Nasenring geführt wird? Aber alle – naheliegende – Häme beiseite: es lohnt sich, sich etwas näher mit der Materie zu befassen. Also, worum geht’s?
Die Gemeindeordnung regelt neben vielen anderen Dingen auch die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Bereich der sogenannten “Daseinsvorsorge”. Bislang ist sie garantiert unter der – selbstverständlichen! – Voraussetzung, dass ein “öffentlicher Zweck” erfüllt wird; außerhalb des Kernbereichs (vor allem Energieversorgung, Wasserversorgung, öffentlicher Verkehr) muss das kommunale Angebot mindestens so wirtschaftlich sein wie die private Konkurrenz. In diesem Rahmen arbeiten zur Zeit z.B. die Stadtwerke. Sie werden vom Rat politisch gesteuert und leisten viel mehr als nur Energie und Verkehr: gerade in Münster garantieren sie Service für die Bürger, eine beispielhafte Schonung der Umwelt und Nachhaltigkeit. Und sie erwirtschaften Gewinne für den städtischen Haushalt.
Dagegen stehen zwei Interessenblöcke:
- Die großen Energie-, Wasser- und Entsorgungskonzerne haben ein natürliches Interesse, diese Bereiche zu übernehmen und als Monopolisten die Preise zu bestimmen. Dass hier kurzfristig viel Geld zu verdienen ist, zeigen die Korruptionsskandale der letzten Jahre um die Abfallentsorgung.
- Neoliberale (FDP-) Politiker sehen das Heil in der Formel “Privat vor Staat”.
Diesem Rezept folgt die jetzige CDU-FDP-Landesregierung. In der Regierungserklärung vom 13.7.2005 kündigte sie an: “Deshalb stellen wir die öffentliche Verwaltung neu auf. Kann eine staatliche Aufgabe entfallen, entfällt sie. Kann sie privatisiert werden, wird sie privatisiert.”
Im aktuellen Referentenentwurf zur Änderung des Gemeidewirtschaftsrechts wird diese Ankündigung jetzt kompromisslos umgesetzt. Details können Sie hier nachlesen.
In der Bewertung sind sich viele Bürgermeister und die SPD einig: Wenn das Gesetz wird, geht es den Stadtwerken und den anderen kommunalen Betrieben an den Kragen – und damit letztlich auch ihren Kunden, den Bürgern, und dem Kämmerer. Denn der schönste Bestandsschutz hilft nichts, wenn jede Weiterentwicklung dadurch verhindert wird. Ganz zu schweigen von den Beispielen in anderen Bundesländern, wo Gemeinden dem großen Versorgungskonzern das Netz abkaufen und den Bürgern ein besseres Angebot machen.
Eine politisch eher unverdächtige Organisation, die Verbraucherzentrale NRW, sagt es am 17.11.2006 so:
“Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Änderung des § 107 Gemeindeordnung würde die Wettbewerbschancen öffentlicher Unternehmen dramatisch einschränken und somit insgesamt dem Wettbewerb schaden. Sie würde die wirtschaftliche Freiheit der Kommunen reduzieren und somit auch indirekt Nachteile für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten. Die Verbraucherzentrale NRW lehnt deshalb die vorgeschlagene Änderung des § 107 Gemeindeordnung ab.”
Langer Rede kurzer Sinn:
“Gemeindewirtschaftsrecht” ist für uns alle ein ganz heißes Thema! Darum wären alle Fraktionen unabhängig von der parteipolitischen Farbenlehre gut beraten, sich rechtzeitig darum zu kümmern. Und sage keiner, er könne es ja doch nicht ändern: die anfängliche Euphorie der gewonnenen Landtagswahl beginnt auch in Düsseldorf zu schwinden, und dort werden entschiedene Worte der (Ober)Bürgermeister wahrgenommen, vor allem wenn es die eigenen sind.
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