Christoph Strässer in Hiltrup zur Patientenverfügung: Großes Interesse / 12.12.08
Voll war es bei Klostermann: fast alle Plätze waren besetzt, als Christoph Strässer MdB am 11.12.2008 auf Einladung der Hiltruper SPD zum Thema Patientenverfügung referierte. Viele Zwischen- und Nachfragen begleiteten seine Ausführungen, und erst kurz vor Geschäftsschluss verließen die letzten Teilnehmer das weihnachtlich-freundlich dekorierte Café.
7 bis 9 Millionen Menschen haben bereits Patientenverfügungen in den verschiedensten Fassungen niedergeschrieben: mit dem eigenen Tod befassen sich sehr viel mehr, als man vor dem Hintergrund des Jugendwahns in der Werbung vermuten könnte. Doch welchen Wert haben solche Papiere, werden sich die Ärzte (und die Verwandten) daran halten?
Christoph Strässer schickte seinen Erläuterungen ein Bekenntnis zur Palliativmedizin voraus. Diese ärztliche Begleitung auf dem „letzten Weg“ zur Aufrechterhaltung der Lebensqualität ist gerade in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden, wird aber insbesondere in Westfalen zurzeit noch mangelhaft umgesetzt.
Was man in der Patientenverfügung regeln sollte – Strässer ließ diese Frage bewusst offen: „Das ist eine höchstpersönliche Entscheidung, da gebe ich keine Empfehlung!“ Hier muss jeder selbst entscheiden, welche Weisungen er erteilen will, und sollte sich bei der Abfassung vielleicht auch mit seinem Arzt beraten.
Die aktuelle Diskussion im Bundestag, die übrigens nicht den sonst üblichen parteipolitischen Fronten folgt, hat einen anderen Inhalt. Es geht im Kern darum, den Willen des einzelnen durchzusetzen und die Entscheidung über seine Behandlung am Lebensende nicht Dritten zu überlassen. So sieht der von Strässer vertretene Gesetzentwurf vor, dass die einmal fixierte Patientenverfügung verbindlich sein soll. Sowohl die behandelnden Ärzte als auch Bevollmächtigte und Betreuer sollen daran gebunden sein, was der Patient vorher bei klarem Verstand verfügt hat. Diese Bindung soll auch, so Strässer, unabhängig davon sein, wie alt die Patientenverfügung ist, ob sie weit vorausschauend oder schon in Kenntnis der tödlichen Erkrankung verfasst wurde und ob der Patient bereits in der „Sterbephase“ ist oder „noch eine Chance“ hat. Denn jeder hat das Recht, auch eine nach objektiven Maßstäben sinnvolle Behandlung abzulehnen, und das soll auch gelten, wenn er dies vorher verfügt hat und jetzt nicht mehr entscheidungsfähig ist („Unvernunft hebt das Selbstbestimmungsrecht nicht auf“).
Für die Form einer Patientenverfügung sollten, so Strässer, keine bürokratischen Hürden errichtet werden. Grundsätzlich entspricht es dem Grundsatz der Privatautonomie in unserem Rechtssystem, wenn auch mündliche Erklärungen verbindlich sind. Allerdings ist es für alle Beteiligten wesentlich einfacher und eindeutiger, wenn die Patientenverfügung schriftlich fixiert wird. Dafür sollte aber einfache Schriftform ausreichen, das heißt der Gesetzgeber sollte darauf verzichten, die Wirksamkeit einer Patientenverfügung von der Beurkundung durch den Notar abhängig zu machen; andernfalls wären die praktischen und finanziellen Hürden zu hoch.
Das Vormundschaftsgericht sollte danach nur dann im Spiel sein, wenn Arzt und Betreuer unterschiedliche Auffassungen von Inhalt und Verbindlichkeit der Patientenverfügung haben.
Inhaltlich muss sie hinreichend konkret sein. Allgemeine Formulierungen, man wolle keine Apparatemedizin, reichen nicht aus, andererseits sind aber auch keine fachlichen Formulierungen erforderlich, die den Standards medizinischer Dokumentationen entsprechen. Hier kann auf die Formularmuster zurückgegriffen werden, die zahlreich verbreitet sind (z.B. vom Bundesminister der Justiz), das Gespräch mit dem Hausarzt ist aber zu empfehlen.
Auf jeden Fall, machte die lebhafte Diskussion deutlich, sollte die Patientenverfügung kombiniert werden mit einer Vorsorgevollmacht. Sie hat nicht die Funktion, die Entscheidung über die Behandlung am Lebensende auf Dritte zu delegieren. Der oder die Bevollmächtigte hat allein die Aufgabe, den in der Patientenverfügung dokumentierten Willen durchzusetzen; er oder sie darf nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle der Patientenverfügung setzen.
Strässer rechnet mit einer abschließenden Regelung noch in dieser Legislaturperiode, das heißt im Jahr 2009. Nachdem sich der Bundestag zunächst sehr zögerlich mit dieser nicht einfachen Materie befasst hatte, sind jetzt drei verschiedene Gruppenanträge eingebracht worden, und nach Strässers Einschätzung bahnt sich ein mehrheitsfähiger Kompromiss im Sinne des von ihm vertretenen Entwurfs an. Die gute Resonanz der Veranstaltung bei Klostermann zeigt jedenfalls: dies ist ein Thema, das viele Menschen bewegt und für das eine Lösung gefunden werden muss.
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— Hermann Geusendam-Wode 14.12.08 #