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Amelsbüren mit Verstand entwickeln – keine unüberlegte Bebauungsplan-Änderung zugunsten Lidl / 14.05.08

Amelsbüren Davertstraße: Soll hier ein Supermarkt entstehen?

Amelsbüren Davertstraße: Soll hier ein Supermarkt entstehen?

Etwa ein Dutzend Bauplätze sollen in Amelsbüren zweckentfremdet werden – so muss man wohl die aktuelle Vorlage der Verwaltung für die Sitzung der Bezirksvertretung am 15.5.2008 lesen.

Die Verwaltung schlägt vor, den geltenden Bebauungsplan zu ändern: Anstelle der rege nachgefragten Bauplätze für Familien, wie bisher vorgesehen, soll jetzt das Baurecht für einen Supermarkt geschaffen werden. Lidl, so meldet es die Buschtrommel, ist der Favorit. Angeblich ist es den Amelsbürener Neubürgern nicht zuzumuten, bei der K+K-Konkurrenz im Ortskern einzukaufen.

Was nicht in der Vorlage steht: den Kindern der Neubürger wird ohne weiteres zugemutet, täglich den Weg zum Kindergarten im Ort zu bewältigen – die Kindertagesstätte, die im Neubaugebiet geplant war, ist ersatzlos gestrichen. Dass die in der unmittelbaren Nachbarschaft laut bestehendem Bebauungsplan vorgesehene Kita vielleicht auch ein Argument für die Ansiedlung dort war, spielt jetzt wohl keine Rolle mehr.

Da verwundert es kaum, dass den Grundschulkindern (und ihren Eltern) die erforderliche Übermittag-Betreuung bis auf weiteres ebenfalls vorenthalten bleibt – anscheinend haben zunächst kommerzielle Interessen Vorrang.

So soll nun schleunigst ein Projekt durchgepeitscht werden, mit dem keiner der Neubürger beim Kauf seines Grundstücks gerechnet hat: zusätzlicher Lärm und Autoverkehr, und das nicht zu knapp. Lidl – oder wer auch immer – lebt nicht von einem Neubaugebiet mit rund 350 Wohneinheiten, lebt nicht von Eltern, die zu Fuß mit der Einkaufstasche kommen und den vergessenen Liter Milch kaufen. So ein Discounter funktioniert von 9 bis 22 Uhr an sechs Tagen die Woche nur in der Kombination mit einem großen Parkplatz und wird darauf angelegt sein, ganz Amelsbüren, Lövelingloh und auch noch Pendler aus Davensberg und Ottmarsbocholt anzuziehen. Der Durchbau des Böckenhorst, so schon problematisch genug, wird dann eine ganz neue Funktion übernehmen, nämlich die der Direktanbindung für den Supermarkt. Ich fahr mal eben einkaufen, sagt dann der Anlieger der Pater-Kolbe-Straße – mit dem Auto zum Lidl, durch den ausgebauten Böckenhorst.

Und was auch nicht in dieser knappen Vorlage steht: Es geht bei der Änderung des Bebauungsplans nicht nur um einen zusätzlichen Supermarkt, sondern in der Folge auch um die Entwicklung des gesamten Stadtteils Amelsbüren. Es geht um die Frage, ob Amelsbüren seine ursprünglich gewachsene Siedlungsstruktur und damit sein Gesicht behalten und weiterentwickeln kann. Gesichtslose Schlafsiedlungen am Rand von Großstädten gibt es anderswo schon genug: Will der Rat, der letztlich entscheidet, wirklich mit der Kaufkraft die Lebenskraft aus dem alten, gewachsenen Ortskern abziehen?

Das geltende (und noch recht frische) Einzelhandelskonzept der Stadt Münster hat aus gutem Grund den Ortskern von Amelsbüren als Einzelhandelsstandort ausgewiesen, und sonst nichts.

Also nochmal: Bei dieser Entscheidung geht es auch um die Seele Amelsbürens, nicht um bequemes Einkaufen für ein paar Neubürger im Baugebiet.

Ernsthaft und gewissenhaft muss eine solche Entscheidung nach Meinung der SPD vorbereitet werden. Da reicht es nicht aus, mal eben die Haushalte im Neubaugebiet zu befragen, ob wohl Aldi oder Lidl vor der Haustür fehlen. Stadtentwicklung geht nicht nach solchen Klein-Fritzchen-Methoden.

Wer seiner Verantwortung für die Entwicklung von ganz Amelsbüren gerecht werden will, muss den vorhandenen Sachverstand der Städteplaner nutzen.

Die Verwaltung hat aus Sicht der SPD die Pflicht und Schuldigkeit, ein zukunftsweisendes Konzept für die städtebauliche und Einzelhandelsentwicklung dieses liebenswerten und bislang auch sehenswerten Ortsteils von Münster vorzulegen, das den Ansprüchen an Professionalität genügt. Und dazu gehört auch – nicht nur! – ein Konzept zur Zentralität: Was macht den Ortskern aus, was sollte zu seiner Entwicklung mittel- und langfristig getan (und auch gelassen) werden, und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang ein neuer Supermarkt auf der grünen Wiese?

Dazu wollen wir etwas hören. Von der Verwaltung, sie muss zuerst mal ihren Job machen. Und dann kann man entscheiden.

Die Bezirksvertretung kann die jetzige Vorlage deshalb nur zurückstellen. Sie ist so nicht entscheidungsreif.

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