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Die Linke – ein Koalitionspartner wie Schill? Wie die Grünen? / 8.04.08

Schill – wer war das noch mal? Ach ja, Richter Gnadenlos und so – und ein bisschen Koks für den Boulevard. Geschichte, abgehakt.

Der Name Schill steht aber nicht nur für südamerikanische Exotik, sondern auch für Grundregeln von Politik:

Der CDU-Spitzenmann Ole von Beust brauchte 2001 nach der vorletzten Wahl in Hamburg neben der FDP auch die „Schill-Partei“ als Koalitionspartner, um regieren zu können. Schill hatte mit einem populistischen Law-and-order-Programm 19,4% der Wählerstimmen erhalten. Von Beust wollte nicht mit der SPD und ernannte ihn zum Innensenator.

2008 wiederholt sich das Spiel, diesmal sind die Karten anders gemischt: von Beust und seine CDU haben wieder keine Mehrheit und brauchen Koalitionspartner. Schill ist außer Landes, seine Partei verschwunden, aber da gibt es noch die Grünen: “Schwarz-Grün ist schwierig, steht aber für Wachstum und Kreativität”, sagt die CDU diesmal (CDU-Fraktionschef Frank Schira).

Dieser bunte Koalitionsreigen macht eins deutlich:

Parteien koalieren in Deutschland miteinander, um eine stabile Regierung zu bilden. Dies ist nötig, weil – besonders in politischen Systemen mit Verhältniswahlrecht – eine Partei alleine nur selten über die dafür nötige absolute Mehrheit an Mandaten im Parlament verfügt (Zitat: Wikipedia).

Reichen die Gemeinsamkeiten der Partner nicht aus, um alle im Rahmen einer Koalition an der Regierung zu beteiligen, bietet sich die Tolerierung einer Minderheitsregierung an:

Diverse Studien zeigen, dass in parlamentarischen Demokratien etwa ein Drittel der Regierungen Minderheitenregierungen sind. Während Minderheitsregierungen in Mitteleuropa selten sind, sind sie in Skandinavien sowie in Kanada nicht ungewöhnlich. Für die tolerierenden Fraktionen ergibt sich daraus faktisch ein Zwischenstatus zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktion. Auch wenn sie personell nicht an der Regierung beteiligt sind, so ist diese doch genötigt, politische Vorhaben mit ihnen abzusprechen, um eine Zustimmung der Parlamentsmehrheit zu sichern (Zitat: Wikipedia).

Für den Umgang mit der Linken heißt das:

Eine unaufgeregte, nüchterne Betrachtungsweise ist angesagt, wenn der Wählerwille die Linke in ein kommunales oder Landesparlament bringt. Sollte sich in Deutschland der derzeitige Trend zu 5-Parteien-Parlamenten stabilisieren, bleibt der SPD – wenn und soweit die FDP sich wie z.Zt. in Hessen einer Koalition mit der SPD verweigert – gar keine andere Wahl, als neue Konstellationen zu sondieren, da eine bloße passive Verweigerungshaltung niemals SPD-Politik sein kann.

Die SPD steht für das Konzept einer sozialverpflichteten Demokratie, in der es ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis von Freiheit und Gleichheit gibt. Sozialdemokratische Politik ist diesen Zielen verpflichtet und muss sie unter jeweils veränderten Rahmenbedingungen immer neu öffentlich artikulieren und möglichst konkret vertreten – am besten in Regierungsverantwortung.

Zusammenarbeit in Form einer Koalition oder Tolerierung wäre aber nur dann denkbar, wenn der Partner bestimmte Mindestanforderungen erfüllt:
•Keine Zusammenarbeit mit Verfassungsfeinden, die Positionen der SED oder KPD vertreten.
•Keine Zusammenarbeit mit Chaoten, die weder Programm noch demokratische innerparteiliche Willensbildung kennen.
•Keine Zusammenarbeit mit populistischen Rattenfängern, deren Positionen nicht mit der Programmatik der SPD vereinbar sind.

Gerade in den ‚alten’ Bundesländern sind diese Voraussetzungen zur Zeit recht zweifelhaft. Der Skandal um die kommunistische Abgeordnete der Linken im niedersächsischen Landtag, Wegner, illustriert dies sehr anschaulich: Wer solche Unbelehrbaren, die heute noch eine Mauer und eine Stasi fordern, auf seine Wahllisten setzt, kann kein Partner sein.

Neben dieser nüchternen Betrachtungsweise steht gleichberechtigt ein weiterer Aspekt:

Die Glaubwürdigkeit des eigenen Handelns. Eine rational vertretbare, vielleicht sogar gebotene Kooperation fordert einen zu hohen Preis, wenn sie den Wählern nicht vermittelbar ist. Und Akzeptanz kann nicht erwarten, wer innerhalb weniger Wochen seine eigenen Ankündigungen revidiert.

Allerdings: Das lautstarke Wortbruch-Geschrei von CDU und FDP in Hessen ist mehr als scheinheilig. Die CDU muss so ehrlich sein einzugestehen, dass sich ihr Frontmann Koch selbst demontiert hat und als Regierungschef nicht mehr tragbar ist. Und die Hessen-FDP muss sich fragen lassen, welche Sachprobleme sie denn hindern, dem Kurs ihres Bundesvorsitzenden zu folgen und alle denkbaren Optionen ernsthaft zu prüfen, auch eine Koalition mit der SPD. Tatsächlich sorgt die Hessen-FDP zur Zeit dafür, dass das Land keine voll handlungsfähige Regierung bekommt – ohne nachvollziehbare Erklärung für diese Verweigerungshaltung.

Eine Regierungsbeteiligung der SPD hat immer ein Ziel – nämlich SPD-Politik zu machen! Dies gilt für jede Zusammenarbeit nach rechts wie nach links, und – dies gilt für jeden gemeinsamen Tag einer Legislaturperiode neu. Sollte sich ein 5-Parteien-System etablieren, sind potentiell mehr mehrheitsfähige Konstellationen möglich. Nicht nur direkt nach den Wahlen …

CDU denkt über Stadtdirektor nach – hoffentlich gründlich Pfarrer-Ensink-Weg: CDU ausgeschlafen?