Verfassungsbruch in NRW / 27.02.08
Das waren noch Zeiten: da gab es eine kleine, aber feine Insel der Liberalität und der Bürgerrechte. Unerschrockene, höchst profilierte Kämpfer wehrten all die gierigen Haifische ab, die von den anderen bösen Parteien losgelassen wurden, um die Freiheit aufzufressen. FDP nannte man diese Veranstaltung, und lang ist’s her.
Aber mit den Märchen ist das so eine Sache, man kennt das. Die paar übergebliebenen Recken hat man in Pension geschickt, und eine neue Mannschaft ist angetreten. Die hielten nicht mehr viel von Bürgerrechten. Die wollten dem Bürger überall ‚reinschnüffeln. Schließlich ist so ein Bürger grundsätzlich gefährlich, der denkt oft nicht nach Vorschrift! Oder wie Karl Valentin das ausdrückte: der denkt links!
Und nachdem sie schon die Briefe geöffnet, die Telefone abgehört und in die Schlafzimmer hineingehorcht hatten, fiel ihnen auf: da gibt es ja noch einen interessanten Intimbereich, nämlich den privaten Computer! Da stecken doch ganz viele Geheimnisse, Tagebücher, persönliche Post, Liebesbriefe, die uns noch nicht zugänglich sind – und schon hatten sie das Gesetz geändert: Das Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen).
Da heißt es bis heute in Paragraf 5 unter anderem: „Die Verfassungsschutzbehörde darf … die folgenden Maßnahmen anwenden: …
- 11. heimliches Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, wie insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen bzw. die Suche nach ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer Mittel. Soweit solche Maßnahmen einen Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis darstellen bzw. in Art und Schwere diesem gleichkommen, ist dieser nur unter den Voraussetzungen des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz zulässig;
- 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Ton- und Datenaufzeichnungen. …“
Und an dieser Stelle geht das Märchen doch noch weiter:
Einer von den pensionierten Recken, der frühere Bundesinnenminister und FDP-Politiker Gerhard Baum tat sich mit anderen aufrechten Politikern und Journalisten zusammen und setzte das leuchtende Schwert in Schwung, genannt Bundesverfassungsgericht. Heute hat es zugeschlagen und der NRW-Landesregierung von Schwarz und Gelb, allen voran dem FDP-Innenminister Wolf befohlen, mit dem Unsinn aufzuhören.
Das NRW-Gesetz zur Online-Durchsuchung verletzt das Grundgesetz, entschied das Bundesverfassungsgericht. Heimliche Zugriffe auf Computer sind nur in Ausnahmefällen zulässig, und dann auch nur auf Anordnung eines Richters; das Gesetz ist nichtig. Das Grundrecht des Bürgers auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme geht vor.
Und wenn sie nicht gestorben sind: dann müssen wir alle bei der nächsten Wahl besser hinsehen. Leute, die die grundlegenden Bürgerrechte aushebeln wollen, darf man einfach nicht wählen. Das sollten sich auch die Bundes-CDU und der jetzige CDU-Bundesinnenminister hinter die Ohren schreiben.
Einkommensteuer: Höchstverdiener zahlen nur 34 Prozent 28.2.2008: Bürgersprechstunde mit Svenja Schulze