Graue Wolken über der Prinzbrücke / 20.08.14
Behörden-Zoff mit Folgen
Die Prinzbrücke über den Kanal verbindet Hiltrups Osten mit Mitte. Viele Radfahrer und Fußgänger, PKW und Schwerlaster teilen sich die schmale Fahrbahn. Über 100 Jahre ist die Brücke jetzt alt: eigentlich hat sie ihren Dienst getan, sie ist am Ende der normalen Lebensdauer.
Die Prinzbrücke in Hiltrup: Eingeschränkte Tragkraft, viele Verkehrsbeschränkungen
Was passiert, wenn die Statiker den Daumen senken? Fußgänger und Radfahrer könnten den neuen Radweg auf der hohen Straßenbrücke nutzen; das bedeutet Umwege für die Bewohner des Heerdeviertels und generell für den Weg zum Bahnhof, die Verbindung zwischen Ost und Mitte bliebe aber möglich. Eine Katastrophe wäre die Brückensperrung für alle Anlieger zwischen Kanal und Bahn: Gewerbebetriebe und Privathäuser könnten nicht mehr angefahren werden.
Aber kann man die alte Brücke nicht einfach reparieren?
Notdürftige Verstärkungen
Viele Teile sind verrottet, überall ist mit Ermüdungsrissen zu rechnen; provisorische Verstärkungen und die Verengung der Fahrbahn zeigen im Augenblick den erbärmlichen Zustand an.
Die Prinzbrücke in Hiltrup: Lastwagen müssen einzeln und genau in der Mitte fahren, sonst…
Gutachter waren schon vor Ort, bekannt geworden sind knappe Aussagen: nach dem Kenntnisstand des Jahres 2011 “müssen ca. 30-50% aller Bauteile (z.B. Bögen, Querträger, Teile der Zugbänder) ausgetauscht werden.
Rost und Flickwerk, wohin man schaut
Der genaue Umfang der auszutauschenden Bauteile ist erst nach dem Abstrahlen des Tragwerks und dem Abtragen der Fahrbahn erkennbar. Die … Restnutzungsdauer wird durch eine Instandsetzung zunächst nur ermöglicht, nicht jedoch verlängert. … Es kann also letztlich erst während der Sanierung abschließend beurteilt werden, ob eine Sanierung wirtschaftlich ist oder ein Neubau erforderlich wird.” Nur: die Prinzbrücke wäre nach einer Sanierung (deren Kosten völlig offen sind, die Bauweise ist seit 50 Jahren nicht mehr ausgeführt worden) nicht “wie neu”. Eine Weiternutzung als Straßenbrücke auch für PKW und LKW ist nach Sanierung mit einer Restnutzungsdauer von 20 bis 30 Jahren veranschlagt; dies gilt auch nur unter der Bedingung, dass die bestehenden Verkehrsbeschränkungen (z.B. einspurige Verkehrsführung) beibehalten werden und dass die Brücke häufiger untersucht wird. Normale Lasten könnte sie also nicht mehr tragen, selbst als reine Fußgänger- und Radfahrerbrücke würde sie danach nur noch halb so lange halten wie ein Neubau.
Wo würden die Autos dann bleiben? Ein “Ohr” wäre die Lösung, vom Damm der neuen hohen Osttorbrücke könnte nach Norden hin ein Abfahrtsohr gebaut werden, das in einer engen Kurve bis zur Nobelstraße reicht. Der Preis dafür: Der Wald müsste weichen und mit ihm Fledermäuse, das Braune Langohr. Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung, die die arbeitsgruppe raum & umfeld im Auftrag der Wasserstraßenverwaltung durchgeführt hat, sieht diesen Eingriff unkritisch: “Mit der Gesamtheit aller Maßnahmen werden die Verluste und Beeinträchtigungen der Biotoptypen, die Störung von Funktionszusammenhängen des Naturhaushaltes, die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und die artenschutzrechtlichen Konflikte vermieden und kompensiert.”
Auch wenn die Brücke noch in Ordnung wäre, müsste etwas passieren. Für neue größere Binnenschiffe ist sie zu niedrig: Im Zuge des Kanalausbaus muss die Unterkante der Brücke um 1,15 Meter angehoben werden. Der Haken daran ist die Verbindung der Brücke mit dem Bahntunnel-Radweg auf der Westseite, mit dem Föhrenweg und dem Hotel und Restaurant Zur Prinzenbrücke auf der Ostseite. Der Radweg steigt heute schon kräftig an, um den Höhenunterschied zwischen Tunnel und Brücke zu überwinden, da kann man keine 1,15 Meter zusätzlich draufsatteln – und das Restaurant mit seiner Außenterrasse wie den Föhrenweg kann man auch nicht einfach vom Zugang zur Straße Osttor abschneiden. Die Brücke müsste also nicht nur angehoben, sondern auch umgebaut werden; innerhalb der alten Brückenkonstruktion müsste die Fahrbahn tiefer gelegt werden, um die 1,15 Meter Anhebung teilweise auszugleichen.
Viel Aufwand also, um eine alte Brücke für begrenzte Zeit zu erhalten. Zu viel? Wäre da nicht ein Neubau die bessere Lösung? Eine schlanke neue Fußgängerbrücke, so zierlich, dass Durchfahrtshöhe für die Schiffe und Anbindung von Radweg, Föhrenweg und Restaurant unter einen Hut passen?
So weit, so schwierig, aber es gibt noch ein paar Probleme. Die alte Prinzbrücke steht unter Denkmalschutz, und die Bezirksregierung als Höhere Denkmalbehörde sagt schlicht Nein zu einer Beseitigung. Der Wald, der für das “Ohr” geopfert werden müsste, ist von der Stadt Münster als schutzwürdiges Biotop ausgewiesen. Den Eingriff in das Biotop wollte die Stadt nur als Gegenleistung für die Erhaltung der alten Brücke zulassen.
Wie es jetzt weitergeht mit der Prinzbrücke? Schwer zu sagen. Die “Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt” will per Planfeststellung das “Ohr” und den Neubau einer Fußgänger- und Radfahrerbrücke durchsetzen. Die Stadtverwaltung will den Wald nur dann für das “Ohr” hergeben, wenn die alte Brücke bleibt, Bürger wollen den Wald auf jeden Fall erhalten.
Bürger kämpfen für den Wald, der für ein Auffahrtsohr weichen müsste
So stand die Bezirksvertretung am 18.8.2014 vor einem Scherbenhaufen: die Wasserstraßenverwaltung als Eigentümer und Bauherr will mit dem Kopf durch die Wand, sie hat sich ganz offensichtlich nicht mit der Stadt Münster abgestimmt. Die Gegner eines Neubaus unterstellen der Wasserstraßenverwaltung, dass sie die alte Brücke absichtlich verrotten ließ, und fordern eine Sanierung um jeden Preis. Wirklich belastbare Aussagen, welchen Aufwand eine Sanierung erfordern würde, sind nicht bekannt. So blieb der Bezirksvertretung am Ende nichts anderes übrig als dem Vorschlag der Verwaltung zu folgen und die Planung der Wasserstraßenverwaltung abzulehnen.
Damit bleibt abzuwarten, ob die Wasserstraßenverwaltung einlenkt – dann muss sie ihre Planung zurückziehen und neu planen. Das dauert; ob die Brücke wohl noch so lange hält? Oder sie lässt es darauf ankommen und die Planfeststellungsbehörde bei der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Münster entscheidet gegen Fachbehörden und Stadt – eher zweifelhaft, aber das Ergebnis bleibt offen.
Bezirksvertretung und Bürger sehen das Spektakel mit Ärger. Viel zu lange ist das Problem bekannt, und die Behörden, die da nicht vernünftig miteinander umgehen, werden alle von unseren Steuern bezahlt.
Für uns geht es schlicht um zwei Dinge:
Die Einmündung des Geh- und Radwegs vom Bahntunnel ist gefährlich, Schilder und Markierungen schaffen keine echte Sicherheit
Die bestehende Fuß- und Radweg-Verbindung zwischen Ost und Mitte muss erhalten werden – und die gefährliche Kreuzung von LKW und Schulkindern an der Tunnelanbindung zur Brücke muss beseitigt werden.
Wir erwarten, dass alle beteiligten Verwaltungen konstruktiv zusammenarbeiten. Gegenseitige Vorwürfe zwischen Behörden helfen den Bürgern nicht weiter. Die Wasserstraßenverwaltung ist in der Pflicht: sie muss schnell mehr Informationen liefern zum aktuellen Zustand der alten Brücke und zu den Sanierungsmöglichkeiten und -kosten.
Wenig hilfreich war da der Beschluss der Bezirksvertretung, sich auf die Planungsvariante 5 festzulegen, die von der Wasserstraßenverwaltung favorisiert wird; diese Festlegung nimmt Druck vom Kessel, und Druck ist nötig, damit die Wasserstraßenverwaltung sich bewegt. Ein Novum in der Geschichte der Bezirksvertretung übrigens: CDU und AfD stimmten Seite an Seite dafür – ist das die Linie der CDU in Münster? Zügig an den rechten Rand?
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