Gift in Hiltruper Trinkwasser? / 12.01.11
Gasbohrungen mit wassergefährdenden Chemikalien
Trinkwasser: können wir auch in Zukunft trinken, was aus dem Hahn kommt?
Wir haben uns fast schon daran gewöhnt: Jeden Tag neue Katastrophenmeldungen, heute über Dioxin in Eiern, Schweinen und Rindern, morgen über andere Gifte in unserer Lebensgrundlage. Eine immer wiederkehrende Grenzwertdiskussion hat sich entwickelt, das Gift wird untergemischt und verdünnt. Soundso viele Nanogramm landen schließlich in unserer Nahrung, Experten diskutieren, welche Mengen von welchen Stoffen der Mensch aushält, und Vorsichtige kaufen (teuer) im Bioladen.
In Hiltrup mit seinen Trinkwasserbrunnen in der Hohen Ward werden wir mit einer neuen Bedrohung konfrontiert, der niemand mehr aus dem Wege gehen kann:
2011: Gasbohrungen mit dem Fracking-Verfahren im Münsterland geplant
Die ExxonMobil Produktion Deutschland GmbH (EMPG) – im folgenden ExxonMobil genannt – hat die „Bergbauberechtigung zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen (Erdgas) zu gewerblichen Zwecken“ im Aufsuchungsfeld „Nordrhein-Westfalen Nord“ erhalten. In diesem Gebiet liegt auch die Stadt Münster. Zuständige Behörde ist die Bezirksregierung Arnsberg als Bergbehörde.
Für dies Gebiet hat ExxonMobil einen Antrag auf Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplans zur Durchführung einer Erkundungsbohrung im Gemeindegebiet Nordwalde gestellt und plant gleichartige Bohrungen im Bereich der Städte Borken und Drensteinfurt.
ExxonMobil sucht im Umfeld von Münster nach Erdgasvorkommen in sogenannten „unkonventionellen Lagerstätten“. Als unkonventionell werden Lagerstätten bezeichnet, aus denen das Erdgas einer Förderbohrung nicht ohne weitere technische Maßnahmen in ausreichender Menge zuströmt, weil es entweder nicht in freier Gasphase im Gestein vorkommt oder das Speichergestein nicht ausreichend durchlässig ist. Zu diesen nicht-konventionellen Vorkommen zählt Erdgas in dichten Gesteinen und Kohleschichten.
Um das im Gestein eingeschlossene Erdgas fördern zu können, will ExxonMobil das Fracking-Verfahren einsetzen und künstliche Fließwege für das Gas im Gestein schaffen.
Fracking: Die Technologie
(Quelle: Umweltbundesamt / US EPA 2010)
Von einem (horizontalen) Bohrloch aus wird eine mit einem Spezialsand vermischte „Frac-Flüssigkeit“ mit Hilfe von Hochleistungspumpen in das Bohrloch eingepumpt. Dabei geht es um große Mengen: ExxonMobil verwendet z.B. bei der Bohrung Söhlingen Z 15 bei Rothenburg/Wümme eine 1000m lange horizontale Bohrung, von der aus an 5 Stellen ca. 2500m³ Frac-Flüssigkeit und ca. 1100 Tonnen Stützmittel mit Drücken von mehr als 1100 bar in das Gestein gepresst werden.
Wie viel Frac-Fluid in den Untergrund gepresst wird, ist von Bohrung zu Bohrung unterschiedlich und hängt von den geologischen Verhältnissen ab. Der Flüssigkeitseinsatz kann aber nach Einschätzung des Umweltministeriums NRW mehrere zehntausend Kubikmeter pro Bohrung betragen.
Unter diesem hohen Druck reißt die Flüssigkeit das Gestein rund um das Bohrloch auf und dringt bis zu 130 Meter weit ein. So entsteht ein Riss, der eine Stärke von bis zu 50 Millimeter aufweist. Die extrem festen Keramik-Kügelchen in der Frac-Flüssigkeit dienen nun als Stützmittel: Sie füllen den Riss aus, so dass er sich beim Zurückfahren der Pumpen nicht wieder schließt. Nun kann das Erdgas, dass sich unter hohem Druck in den Poren des Trägergesteins befindet, auf beiden Seiten des Gesteinsrisses großflächig aus den Poren austreten und zwischen den Keramik-Kügelchen hindurch zum Bohrloch strömen.
Auch bei den vorbereitenden Probebohrungen, für die ExxonMobil jetzt im Münsterland die Genehmigung beantragt, werden die höchst problematischen Chemikalien in den Boden eingebracht, „um das Bohrloch zu desinfizieren“. Dabei werden zu Testzwecken gegebenenfalls Frac-Maßnahmen durchgeführt, um gezielt die Lagerstättenparameter zu erforschen und deren Einsatz zur Kostenminimierung bei einer evtl. stattfindenden späteren Gewinnung zu optimieren (siehe Bericht des Umweltministeriums NRW vom 11.2.2011, Landtagsvorlage 15 / 360).
Fracking: Die Risiken
Die dabei eingesetzte „Frac-Flüssigkeit“ ist das Hauptproblem.
Die Frac-Flüssigkeit besteht zu einem großen Teil aus Wasser. Aber um z.B. die Pumpeigenschaften zu verbessern, das Wachstum von Bakterien zu verhindern oder das Quellen von Tonbestandteilen im Gestein zu verhindern, werden bestimmte chemische Substanzen zugesetzt, laut Wikipedia z.B.
- Gele (z. B. aus Guar) – Viskositätserhöhung zum besseren Sandtransport
- Schäume (aus Schaumbildner und z. B. CO2 oder N2) – Transport und Ablagerung des Sandes
- Säuren (HCl, Essigsäure, Ameisensäure) – Lösung von Mineralen
- Korrosionsschutzmittel – bei der Zugabe von Säuren zum Schutz der Anlagen
- Brecher (Säuren, Oxidationsmittel, Enzyme) – Verringerung der Viskosität des Frac Fluids zur besseren Rückholung der Fluide
- Biozide – Verhinderung von Bakterienwachstum an organischen Bestandteilen; die eingesetzten Biozide müssen chemisch besonders stabil sein, um auch unter hohem Druck und hoher Temperatur in der Tiefe längere Zeit wirksam zu bleiben, und werfen damit hinsichtlich ihrer biologischen Abbaubarkeit zusätzliche Fragen auf;
- Fluid-Loss-Additive (Sand, Lehm,…) – Verringerung des Ausflusses des Frac Fluids in das Gestein
- Reibungsminderer (Latexpolymere, Copolymere des Akrylamids) – Verringerung der Reibung innerhalb der Fluide.
Es gibt unterschiedliche Aussagen zu der Frage, wie viel Frac-Fluid im Untergrund verbleibt. Nach einem Bericht der New York Times vom 1.3.2011 verbleibt ein erheblicher Teil der “Frac-Flüssigkeit” sofort im Untergrund, 10 bis 40 % werden bei der anschließenden Gasförderung mit dem Gas und dem mit vielerlei giftigen oder radioaktiven Stoffen belasteten “Lagerstättenwasser” gefördert. Das Umweltministerium NRW gibt im Februar 2011 an, dass das eingepresste Frac-Fluid gegen Ende des Fracs – vor Förderung des Erdgases – fast vollständig zurückgepumpt wird.
Beide Flüssigkeiten müssen entsorgt werden. ExxonMobil entsorgt die Frac-Flüssigkeit und das Lagerstättenwasser in Niedersachsen auf die denkbar einfachste Weise: man pumpt beides einfach in den Boden.
In den USA werden diese Flüssigkeiten nach dem Bericht der New York Times zum Teil erneut für das Fracking verwendet, zum Teil recycled und deponiert, wegen ihres hohen Salzgehalts auch als Auftaumittel im Straßen-Winterdienst verwendet (und damit unmittelbar in der Umwelt verteilt!), in den Boden gepumpt oder auch einfach ohne jede Kontrolle und Dokumentation „entsorgt“.
Nach massiven Protesten von Umweltbehörden und der steigenden Sorge bei Wissenschaftlern stoppt der Staat Pennsylvania die Einleitung von Frack-Wasser in dafür ungeeignete Klärwerke zum 19. Mai 2011. In den USA weisen Anwohner und Verbände schon seit Jahren darauf hin, dass die Klärwerke nicht in der Lage sind, alle relevanten Stoffe auszufiltern. Auch die steigenden Werte von Bromiden im Trinkwasser, über die sich die Wasserversorger seit einiger Zeit sorgen, sollen so auf Dauer wieder gesenkt werden.
Die Industrie scheint keine besondere Gegenwehr gegen diese Entscheidung einleiten zu wollen. Was stattdessen mit dem Frack-Wasser passieren soll, bleibt noch ungelöst. Sehr wahrscheinlich wird, ähnlich wie im Süden der USA, mit Disposalbohrungen gearbeitet. Dabei wird das Gemisch aus Salzen, radioaktiven Isotopen und den eingesetzten Chemikalien in tiefen Schichten versenkt. Die Hoffnung ist, dass sie dort keinen Schaden mehr anrichten. Ähnliche Praktiken der Kali-Industrie haben sich in Deutschland im Raum Fulda aber als problematisch erwiesen.
Aber auch Disposalbohrungen wurden z.B. in Arkansas bis auf weiteres verboten, weil seit November 2010 weit über tausend Mikro-Erdbeben gezählt wurden. In Deutschland werden Disposalbohrungen z.B. auch von ExxonMobil in Niedersachsen durchgeführt.
Gefahren bringt diese Form der Gasförderung noch unter weiteren Aspekten mit sich:
- Beim Aufbrechen der Gesteinsstrukturen können Erderschütterungen ausgelöst werden. Im Landkreis Rotenburg / Wümme bohrt ExxonMobil nach Erdgas, bereits 2004 gab es dort ein Erdbeben. Seitdem hat ExxonMobil an seinen Bohrtürmen öffentlichkeitswirksam Messinstrumente angebracht. Im Jahr 2012 beschädigte ein Erdbeben im Erdgasfeld Völkersen (Niedersachsen) Häuser, 103 Anwohner meldeten Schäden – ExxonMobil sperrt sich, die Beseitigung der Schäden zu bezahlen.
- Bis zu 8% des Gasvorkommens können bei der Förderung mit dem Fracking-Verfahren in die Atmosphäre entweichen und durch das enthaltene Methan das Klima belasten – über den ganzen Prozess gerechnet mindestens 20% stärker als bei der Energiegewinnung aus Kohle (Vorabbericht der Süddeutschen Zeitung vom 15.4.2011 über die Studie „Climatic Change“ von Robert Howarth an der Cornell University).
- Freiwerdendes Erdgas kann u.U. in das Grundwasser eindringen und gelöst im Trinkwasser in die Haushalte gelangen, in den USA ist dies ein ernsthaftes Problem (Kinofilm: Gasland). Im Münsterland sind eine Reihe von Hausbrunnen heute schon mit Methangas belastet, das möglicherweise aus Erdgasvorkommen stammt.
- Freiwerdende Gase können Luftschadstoffe enthalten. In Wyoming (USA) gelangten nach einem Bericht der New York Times vom 26.2.2011 im Jahr 2009 derart hohe Mengen von Benzol und Toluol aus Gasquellen in die Luft, dass die Grenzwerte überschritten wurden. In einem Beitrag des Fernsehmagazins Panorama vom 3.3.2011 wird diese Luftbelastung auch für eine niedersächsische Gasquelle angesprochen; ein Anwohner beklagt sich über Gestank und berichtet erhöhte Benzolwerte in seinem Blut.
- Bei der Förderung kann u.U. klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt werden, das vorher im Untergrund gebunden war (Kurzstudie von Dr. Werner Zittel).
- Vor Allem aber: „Frac-Flüssigkeit“ und gefördertes Lagerstättenwasser können in das Grundwasser eindringen, sich (eventuell auch entgegen der Fließrichtung des Grundwassers) ausbreiten und in die Trinkwasserversorgung gelangen.
- Die Deckschichten können zerstört werden mit Kluftbildung, die Schadstoffe können mit dem Erdgas durch undichtes Deckgebirge aufsteigen und freigesetzt werden. Solche Abläufe sind z.B. bei Erdwärmebohrungen beobachtet worden, in der badischen Stadt Staufen hebt sich nach einer Erdwärmebohrung der Ortskern und zerstört die historische Bausubstanz.
- Erdgas, Bohrspülung und Salzwasser können in manchen Fällen entlang des Bohrstrangs nach oben migrieren.
- An der Verrohrung der Bohrung kann es aufgrund der Extrem-Drücke von 300 – 1.000 Bar und durch Korrosion Schäden geben. Die Flüssigkeiten greifen z.B. wegen ihres Salzgehalts die metallenen Rohrleitungen an. Aber auch ganz normale mechanische Probleme – Bruch von Leitungen, Versagen von Ventilen – können dazu führen, dass größere Mengen von Frac-Fluid die Umgebung der Bohrung verseuchen und in Gewässer gelangen. In 2011 wurde z.B. ein solcher Vorfall für Bradford County (USA) berichtet.
- Zurück an die Erdoberfläche geförderte Frac-Flüssigkeit und sogenanntes Lagerstättenwasser sind u.a. wegen ihres hohen Salzgehalts sehr aggressiv gegenüber Rohrleitungen und Apparaturen und können bei Unfällen / Leckagen die Umwelt auch oberirdisch mit Schadstoffen und Radioaktivität verseuchen. Nach einem Bericht des NDR-Fernsehens vom 10.1.2011 sind 2007 bei der Erdgasförderung im Erdgasfeld Söhlingen von ExxonMobil aus Leitungsleckagen giftige Stoffe in Erdreich und Grundwasser gelangt. Dieses Wasser gelangte durch undichte Rohrleitungen in Erdreich und Grundwasser. Es enthält die gesundheitsgefährdenden Stoffe Quecksilber sowie die aromatischen Kohlenwasserstoffe Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol (BTEX). ExxonMobil verharmlost solche Vorfälle: “Wir reden hier über keine Leckage, sondern über eine Diffusion kleinster Mengen im lokalen Umfeld einer Leitung”, nennt der Pressesprecher von ExxonMobil Stahlhut das (am 15.2.2011 im „Stadtgespräch“ von WDR5 in Nordwalde) – ein echtes Highlight des Schönfärbens. Aus den USA wird über Vergiftung von Weidevieh durch Strontium in ausgetretenem Lagerstättenwasser berichtet.
- Zur Dichtheitsprüfung des Bohrlochs verwendet ExxonMobil mit Genehmigung der Bezirksregierung Arnsberg als Bergbehörde Dieselöl, z.B. bei der Probebohrung Oppenwehe 1 bei Stemwede. Die Bezirksregierung fordert die vollständige Rückführung des Dieselöls.
- Der Flächenverbrauch bei der Schiefergasgewinnung ist groß. Abhängig von der Geologie, der Tektonik und der angewendeten Fracking-Methode wird z.B. vom sogenannten “40 acre spacing” gesprochen mit Bohrungen im Abstand von rund 160 m und vom “80 acre spacing”, Bohrungen im Abstand von rund 320m. Auch wenn ein Teil der Fläche nach Beendigung der Erschließungsphase wieder zurückgebaut wird, so bleiben aufgrund der hohen Bohrungsdichte je km² die vielen Zufahrtswege und Restflächen für Leitungen, Verdichter, Gasaufbereitungsanlagen etc. Viele Bohrungen werden mehrmals mit Wasser und Chemikalien behandelt, um die Förderperiode zu verlängern, dazu aber muss der Platz um die Bohrung für entsprechende Anlagen und Lastwagen verfügbar bleiben. Pro frac-Prozess sind hundert und mehr Lastwagenfahrten mit Frischwasser und bis zu 700 Fuhren mit Abwasser notwendig, wenn dieses nicht in neu angelegten Teichen gelagert werden kann (Kurzstudie von Dr. Werner Zittel).
Historie: Fracking im Münsterland
Schon 1995 ist im Münsterland gefract worden. Die Öffentlichkeit hat es nicht mitbekommen, die Behörden haben es für harmlos gehalten, und das Unternehmen hat die Auflagen missachtet. Die Bezirksregierung Arnsberg als Oberbergamt berichtet dazu im Jahr 2011:
„Bereits bei den Erdgasprobebohrungen 1995 hat die Bergbehörde Kamen darauf geachtet, dass das Grundwasser nicht gefährdet wurde. Das belegen die Unterlagen zu den damaligen Vorgängen, die die Bezirksregierung Arnsberg jetzt zusammengetragen und gesichtet hat. Die Nachforschungen waren aufwendig und schwierig. Erstens, weil die Bergbehörden seit 1995 mehrfach umstrukturiert worden waren und daher die Zuständigkeiten gewechselt haben. Und zweitens, weil Akten teilweise nicht mehr vorhanden sind, da ihre Aufbewahrungsfrist zwischenzeitlich abgelaufen ist.
„Die vorhandenen Dokumente haben wir sorgfältig ausgewertet. Wir behandeln das sensible Thema der Erkundung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mit der größtmöglichen Offenheit“, so Regierungspräsident Dr. Gerd Bollermann.
Nur in „Natarp 1“ (Landkreis Warendorf ) wurde gefract. Ein Konsortium aus der Conoco Mineralöl GmbH, der Ruhrgas AG und der Ruhrkohle AG hatte Mitte der 90er Jahre für eines seiner zwei Aufsuchungsfelder, „Sigillaria“, fünf Bohrungen geplant. Ursprünglich hatte in allen Bohrungen gefract und eine Probeförderung durchgeführt werden sollen.
Das Bergamt Kamen hatte den für die Ausführung dieser Arbeiten notwendigen Hauptbetriebsplan „Warendorf“ im Februar 1995 zugelassen. An der Zulassung hatte es 25 Stellen beteiligt, darunter unter anderem die Bezirksregierung Münster, das Staatliche Umweltamt Münster, den Kreis Warendorf, die örtlich betroffenen Kommunen, das Landesbüro der Naturschutzverbände, den Lippeverband sowie die Gelsenwasser AG.
Tatsächlich verwirklicht wurden nur zwei Bohrungen: „Rieth 1“ in Drensteinfurt (Bohrtiefe: 1736 Meter) und „Natarp 1“ in Warendorf-Hoetmar (Bohrtiefe: 1969 Meter). Beide Bohrungen wurden 1995 niedergebracht. Fracs wurden aber nur in „Natarp 1“ ausgeführt: einer am 8. Oktober 1995 in einem Bereich zwischen 1840 und 1947 Meter Bohrlochtiefe und einer am 16. Oktober 1995 zwischen 1800 und 1896 Meter. Dabei wurden, so der Abschlussbericht des Konsortiums, insgesamt 121.200 Liter Frac-Flüssigkeit, 41,7 Tonnen Sand und 65.400 Kubikmeter Stickstoff mit einem Druck von 210 Bar ins kohleflözführende Karbongestein gepresst. Mengenangaben zu den einzelnen Substanzen sind im Abschlussbericht nicht enthalten.
Ordnungsgemäße Entsorgung: In Nebenbestimmungen der Betriebsplanzulassungen hatte das Bergamt Kamen zur Auflage gemacht, dass im Bereich des Bohrplatzes weder Frac-, noch Formations-, noch Spülwasser in Oberflächengewässer oder das Grundwasser gelangen durften. Die Flüssigkeiten mussten gesammelt, beprobt und anschließend ordnungsgemäß entsorgt werden.
Alle Zusätze, die für die Bohrspülung, die Zementierung und das Fracking eingesetzt wurden, waren damals als nicht oder nur schwach wassergefährdend eingestuft. Eines der Produkte, die beim Fracen in „Natarp 1“ benutzt wurde, wird heute jedoch als wassergefährdend (Wassergefährdungsklasse 2) eingestuft: SSO 21 M. Ein weiteres Gemisch, GBW-3/30, enthält zwei Bestandteile, von denen einer heute als wassergefährdend, der andere als nicht wassergefährdend gilt.
Die ersten 322.000 Liter des bei der Bohrung „Natarp 1“ geförderten Gemisches aus Frac-Flüssigkeit und Formationswasser wurden in der Kläranlage Hamm entsorgt. Die über weitere acht Monate geförderten rund 1,107 Millionen Liter Formationswasser wurden nach Auswertung der Beprobungsergebnisse über das Grubenwasserrückhaltebecken des Bergwerks „Westfalen 1“ in Ahlen in die Mattenbecke geleitet.
Bohrschlämme und Bohrklein wurden beprobt und schließlich zum Teil (circa 102 Kubikmeter aus „Rieth 1“) der Firma M-I Tanklager in Bremen zur Verwertung übergeben und zum Teil (rund 1177 Tonnen aus beiden Bohrungen) zunächst entwässert und dann auf der Bergehalde „Westfalen Ost“ eingebaut. Die Gasausbeute der Probeförderung war aus Sicht des Bergbaukonsortiums unbefriedigend. Beide Bohrungen wurden wieder verfüllt. Dabei verwendete das Unternehmen für die Bohrung „Rieth 1“ zunächst auch nicht genehmigtes Material, was bei den regelmäßigen bergbehördlichen Überwachungen auffiel. Auf Verlangen des Bergamts Kamen wurde diese Füllung jedoch wieder entfernt und das Bohrloch vollständig mit Zement verfüllt. Beide Bohrplätze wurden rekultiviert. Erkenntnisse über Umweltbelastungen durch die Bohrungen, das Fracen oder die Entsorgung liegen nicht vor.“
Zu diesem Bericht ist kritisch anzumerken, dass er keinerlei Aussagen dazu enthält, ob die Kläranlage Hamm technisch überhaupt in der Lage war, die dort „entsorgten“ Chemikalien unschädlich zu machen. Die Einleitung in die Mattenbecke dürfte wohl kaum als geordnete Entsorgung einzustufen sein. Dieses Wasser ist extrem salzhaltig, wie Analysen damals auch belegten. Es ist zudem vermischt mit den Stoffen aus der Frac-Flüssigkeit. Und es enthält häufig radioaktives Radium. Auf diesen Stoff wurden die Abwässer damals jedoch nicht geprüft. Sie wurden per Tanklastzug ins Klärwerk des Lippeverbandes in Hamm gefahren, wurden über ein Grubenwasserrückhaltebecken des Bergwerks Westfalen in Ahlen in den Abwasserbach Mattenbecke geleitet.
Die Bezirksregierung Arnsberg berichtete dann am 20. April 2011 über eine erteilte, wenn auch nicht zur Ausführung gekommene Sonderbetriebsplanzulassung für sogenannte Stimulationsmaßnahmen in der Bohrung Oppenwehe 1 bei Stemwede. Dabei sollten drei Fracs mit Wasser und Sand ohne den Zusatz von Chemikalien erfolgen. Die Bezirksregierung hat in diesem Zusammenhang das Wirtschaftsministerium darüber hinaus über Details zu einer von ihr am 30. September 2010 erteilten Zulassung für einen Drucktest informiert. Danach hatte das Unternehmen ExxonMobil die Erlaubnis zur Durchführung eines Lagerstättendrucktests erhalten, bei dem Dieselöl für den Drucktest verwendet werden durfte. Die Genehmigung erfolgte jedoch mit der Auflage, dass das Dieselöl vollständig rückholbar sein muss. Der Drucktest durfte darüber hinaus nicht zu einem Aufbrechen des die Bohrung umgebenden Gesteins führen. Die Landesregierung werde umgehend prüfen, ob die Auflagen eingehalten wurden und der Drucktest nicht zu einem Aufbruch des die Bohrung umgebenden Gesteins geführt hat, kündigte Wirtschaftsminister Voigtsberger an.
Abschreckendes Beispiel: Fracking in den USA
Fracing trägt zurzeit in den USA einen Öl- und Gasboom. Kräftig sinkende Energiepreise verändern den globalen Energiemarkt und damit die Wettbewerbsbedingungen. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 13.11.2013 macht die wachsende Förderung von sogenanntem unkonventionellen Öl und Gas aus tiefen Gesteinsschichten die USA bis 2015 zum global führenden Ölproduzenten – noch vor Saudi-Arabien und Russland. Die Gaspreise in den USA liegen 2013 schon um zwei Drittel unter den EU-Importpreisen.
Andererseits wächst in den USA der Widerstand gegen die Fracing-Technologie. Sie wird dort schon seit Jahrzehnten eingesetzt und ist in der Kritik wegen der damit verbundenen Umweltschäden: Chemikalienbelastung von Flüssen, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, und von Hausbrunnen; Belastung von Luft und Böden mit Chemikalien, Eindringen von Gas in die Trinkwassersysteme.
Eine amerikanische Studie im Auftrag von demokratischen Kongressabgeordneten aus dem Jahr 2011 belegt: fast drei Milliarden Liter Chemikalien sind dort innerhalb von 5 Jahren in den Boden gepumpt worden – ein Cocktail von 750 verschiedenen Stoffen, 29 davon krebsverdächtig oder als Gefahrstoff klassifiziert (Quelle: Financial Times Deutschland 19.4.2011).
Begünstigt werden diese Umweltauswirkungen dadurch, dass die Öl- und Gasindustrie von wesentlichen Umwelt-Gesetzen der USA ausgenommen ist und eine intensive personelle Verbindung mit den Behörden pflegt.
Die ökonomischen Perspektiven des Fracking werden inzwischen angezweifelt. 2013 wurde berichtet, dass die USA zum Exporteur von Öl und Gas werden und dass die US-Wirtschaft von sinkenden Energiepreisen profitiert. Die FAZ zitiert im Januar 2014 eine Studie der Unternehmensberatung IHS Herold, nach der sich die Investitionen der letzten Jahre in diese Fördertechnik nicht gelohnt haben: unter dem Strich ein Verlustgeschäft und die Gasvorkommen viel kleiner als behauptet? Die Süddeutsche Zeitung titelt kurz und knapp “Fracking lohnt sich nicht”.
Deutschlands Nachbarn
Wie ein Goldrausch verbreiten sich die Fracking-Aktivitäten der Energiekonzerne inzwischen über ganz Europa. Nach einem Bericht des NDR-Fernsehens vom 1.3.2011 waren in Frankreich schon Bohrgenehmigungen nach der amerikanischen Fracking-Technik für ein Achtel des ganzen Landes erteilt – nur mit dem Widerstand der Bevölkerung hatte man nicht gerechnet. Die Bevölkerung im Larzac (eine einmalige Landschaft, Weltkulturerbe Parc naturel régional des Grands Causses) hat ihre Ablehnung in einer Demonstration mit 10.000 Teilnehmern deutlich gemacht, Bauern haben gewaltfreien Widerstand gegen die Bohrungen angekündigt. Verwaltung und Energiekonzerne meiden auch in Frankreich die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit, siehe z.B. Bericht im Canard enchaîné. Aufgrund der Proteste kündigte die französische Umweltministerin an, weitere Bohrgenehmigungen bis zur Vorlage einer Untersuchung Ende Juni 2011 auszusetzen. Der französische Präsident François Hollande hat sich im September 2012 ablehnend gegenüber dem Fracking geäußert und die Rücknahme einiger Genehmigungen angekündigt; nach französischen Presseberichten ist allerdings kritisiert worden, dass er keine Aussagen über den Bestand der übrigen bereits erteilten Genehmigungen gemacht hat.
In den Niederlanden hat die Regierung ein Moratorium für Probebohrungen beschlossen bis zum Abschluss unabhängiger Untersuchungen im Sommer 2012.
Urteil der Fachleute: Geologen
Das Tyndall Centre an der University of Manchester bezeichnet in einer vorläufigen Einschätzung im Jahr 2011 die verfügbaren Informationen zu gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen der Förderung von Schiefergas als unzureichend: „… existiert ein signifikantes und potentielles Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Die Möglichkeit, dass gefährliche Chemikalien durch den Gewinnungsprozess ins Grundwasser gelangen, muss vor der industriellen Expansion durch genaue Forschungen ausgeschlossen werden. … Eine Analyse (der verwendeten Chemikalien) zeigt, dass viele von ihnen giftige, krebserregende und andere gefährliche Bestandteile beinhalten.“
Von den Geologen z.B. der Universität Münster war 2011 im Rahmen einer informellen Kontaktaufnahme niemand bereit, sich öffentlich zu eventuellen Risiken eines Einsatzes der Fracking-Technik im Münsterland zu äußern. In diesem Fachgebiet scheint es eine zu große Nähe zwischen der Wissenschaft und der Industrie zu geben, die den Wissenschaftlern Aufträge erteilt.
Gleiches gilt offensichtlich auch für das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Mehr als drei Jahre hat die Behörde gebraucht, um sich nach dem Giftunfall von 2007 zu Ermittlungen zu bequemen, ob ExxonMobil weitere vergleichbare Gefahren zu verantworten hat. Selbst der niedersächsische Wirtschaftsminister Bode kritisiert nun in Panorama das LBEG, also seine eigene Behörde: “Der Zeitraum ist wirklich relativ lang, und ich finde auch, dass er zu lang ist.” Zudem kündigt der Minister “eine externe Überprüfung des Bergbauamtes” an, um “die Fehlerquellen finden und abstellen zu können.” Bleibt die Frage: wie sieht es denn in Nordrhein-Westfalen aus? Gilt auch hier „man kennt sich, man hilft sich“?
Urteil der Fachleute: Wasserversorger
Als erster Lieferant von Trinkwasser hat bereits die Gelsenwasser AG, von der auch die Stadt Münster einen Teil ihres Trinkwassers bezieht, Bedenken gegen die Suche nach unkonventionellem Gas im Münsterland angemeldet. Gelsenwasser sieht mögliche Risiken bereits bei den Probebohrungen. Er sei in „großer Sorge“, teilte Vorstandschef Dr. Manfred Scholle mit. Bei der Suche nach heimischen Energiequellen müsse man immer „den Schutz der Ressource Trinkwasser berücksichtigen“, der schon bei Probebohrungen gefährdet sei. Große Gefahr bestehe gerade bei Techniken, bei denen giftige Chemikalien zum Einsatz kämen. Scholle erhebt massive Vorwürfe gegen ExxonMobil: „Im niedersächsischen Damme hat ExxonMobil bereits Frac-Wasser im Boden verklappt. Ungereinigt in der Nähe von Bohrlöchern. Genehmigt von der Behörde. Da sage ich: Alarm! Wie kann eine Bergbehörde so etwas genehmigen?“
Der Arbeitskreis der Wasserwerke im Münsterland, dem auch die Stadtwerke Münster angehören, hat am 30. März 2011 folgende Stellungnahme verabschiedet: „… wie in den Medien hinlänglich berichtet, wird auch im Bereich des Münsterlandes die Suche nach Methangas in Kohleflözen (CBM, Coal Bed Methan) im Rahmen der unkonventionellen Erdgasförderung angestrebt. So haben sich verschiedene Firmen, wie Stadtwerke Hamm und die Minegas GmbH, ein Konsortium um die Thyssen Vermögensverwaltung GmbH sowie die Fa. Exxon Rechte für Probebohrungen zur späteren Gewinnung von Kohleflözgas gesichert. Im nördlichen Bereich werden ebenfalls Probebohrungen zur Gewinnung von Schiefergas durchgeführt.
Die Bohrungen und Versuchsanordnungen, insbesondere auch mit der „Fracking“-Technik, könnten eine Gefährdung für die Grundwasservorkommen darstellen. Mit großer Sorge verfolgen wir dabei die Berichte zur Erdgasexploration in den USA.
Bei erfolgreichen Förderversuchen ist zu erwarten dass neben den beantragten Förderpunkten eine flächendeckende Kohlegas-Förderung durchgeführt werden soll.
Die Trinkwasserversorgung des Münsterlandes für die Bevölkerung, öffentliche Zwecke sowie Gewerbe- und Industrieanwendungen basieren fast überwiegend auf Grundwasservorkommen, die in ihrem heutigen Bestand sehr gute Trinkwasserqualitäten ermöglichen, ohne dass ein hoher Aufbereitungseinsatz notwendig ist. Dies gewährleistet eine sichere und preiswerte Versorgung mit unserem wichtigsten Lebensmittel „Trinkwasser“.
Die in unserem Arbeitskreis zusammenarbeitenden Mitglieder der Wasserversorger des Münsterlandes möchten auf die potenzielle Gefährdung dieser lebensnotwendigen Grundwasservorkommen aufmerksam machen und fordern eine ausreichende frühzeitige rechtliche und fachliche Beteiligung in den anstehenden Genehmigungsverfahren. Dabei muss bei einer Gasförderung sichergestellt werden, dass Grundwasservorkommen durch die eigentlichen Arbeiten oder auch durch Störfälle nicht in ihrer Nutzung, in der Qualität oder in der Menge beeinträchtigt werden. Sollte dies nicht sichergestellt werden können, so ist dem Grundwasser- und Umweltschutz Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Gasförderung zu gewähren.“
Urteil der Fachleute: Ärzte
Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg lehnt mit einer Entschließung vom 19.7.2013 einen Schiefergasabbau durch Fracking ab: “Die bekannten Verfahren, bei denen ein Wasser-Chemikalien-Gemisch unter hohem Druck verpresst wird, um das im Tiefengestein gebundene Gas und Öl freizusetzen, stellen ein Umweltrisiko dar, da sie nicht in der Lage sind, sämtliche Vorgaben für Boden- und Wasserschutz zu erfüllen.
Zudem ist eine “Nachhaltigkeit” der Verbesserung unserer Energieversorgung nicht gegeben, da Geologen schätzen, dass heimische Schiefergasressourcen den Gas-bedarf für höchstens 13 Jahre decken könnten.
Sauberes Trinkwasser für alle ist lebensnotwendig!
Verunreinigtes Trinkwasser gefährdet die Gesundheit unserer Bevölkerung!”
Brauchen wir dies Gas überhaupt?
Die USA sind weltweit einziger Produzent von Schiefergas und mittlerweile der größte Erdgasproduzent der Welt. Sie können ihren Bedarf, unterstützt durch die Nutzbarmachung der heimischen unkonventionellen Gasvorkommen, vollständig aus eigenen Quellen decken. Laut dem Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat der Wegfall der USA-Importe zu einer weltweiten Überversorgung mit Erdgas geführt (siehe „Einschätzung der Schiefergasförderung in Deutschland“ des Umweltbundesamtes von Dezember 2011).
Die SPD-Bundestagsfraktion hat in einer Stellungnahme vom 29.7.2011 keinen Bedarf gesehen, das Erdgas in unkonventionellen Vorkommen zu fördern: „Wir werden voraussichtlich im Rahmen des Atomausstiegs einen besonders hohen Bedarf an Erdgas haben. Eine Ausweitung der Förderung von sogenanntem unkonventionellem Erdgas (shale gas) in Deutschland … würde aber unerheblich im Vergleich zum Gasimport bleiben. Es macht eher Sinn, dieses Gas im Boden zu belassen und als Notfallreserve für spätere Jahrzehnte zu haben.“
Ähnlich hat sich 2011 auch der damalige Vorstandsvorsitzende der Gelsenwasser AG, Dr. Scholle geäußert; nach seiner Einschätzung ist das Angebot von Erdgas auf dem Weltmarkt auf absehbare Zeit so groß, dass es keinen Bedarf für das Gas aus unkonventionellen Vorkommen in Deutschland gibt.
Trinkwasserschutz geht vor
Auch ohne tiefergehende Chemie- und Technik-Kenntnisse springt sofort ins Auge: Biozide, also hochwirksame Gifte, haben im Wasser nichts verloren. Was einmal irgendwo ins Wasser gelangt, landet am Ende in unserem täglichen Trinkwasser – und wir haben keine Alternative. Wir können nicht ganz Münster auf die Wasserversorgung mit Tankwagen umstellen. Und woher soll das unbelastete Wasser kommen? ExxonMobil und die übrigen Firmen dieser Branche sind überall.
Die unsägliche Verdünnungsdiskussion, wie sie beim Dioxin geführt wird, dürfen wir uns beim Trinkwasser nicht aufzwingen lassen. Wir wollen kein Gift trinken, egal in welcher Konzentration.
Die klassischen Einwände der Gasfirmen sind: selbst wenn das Zeug giftig ist, sei das völlig harmlos, es bleibe tief unten in der Erde, alle Bohrungen und Leitungen seien 100prozentig dicht.
Alle wissen aber auch, dass ein Restrisiko bleibt. Der Unfall der Ölbohrplattform vor Amerikas Küste und der radioaktive Abfall in der Asse haben es gerade wieder gezeigt: was man in den Boden einbringt, kommt irgendwann wieder heraus. Leitungen, Rückhaltesysteme und Sicherheitsventile verrotten und verschleißen, und wie die Geologie und die Wasserströme unterirdisch aussehen, weiß keiner wirklich ganz genau. Was man weiß: das Grundwasser, aus dem wir in Hiltrup unser Trinkwasser pumpen, ist vereinfacht gesagt ein großer unterirdischer See, er reicht von Ibbenbüren bis Hamm – Münster liegt mittendrin.
Wie mit diesem Restrisiko umzugehen ist, bedarf der öffentlichen Diskussion. Das Umweltministerium NRW vertritt in seiner Landtagsvorlage 15/360 vom 11.2.2011 die Auffassung: „Sollte absehbar sein, dass mit den durch den physikalischen Druck erzeugten Wegsamkeiten Verbindungen zu Grundwasserhorizonten geschaffen werden, wäre die Zulassung einer Frac-Maßnahme zu versagen.“ Mit dieser Betrachtungsweise wird die Beweislast für Risiken auf die Genehmigungsbehörden verlagert: die Behörde muss ExxonMobil und den anderen Energiekonzernen nachweisen, dass es absehbar zur Grundwasservergiftung kommt, das Restrisiko trägt die Bevölkerung.
Angesichts der elementaren Bedeutung des Wasserschutzes ist demgegenüber zu fordern, dass die Beweislast für die Risikofreiheit beim Energieunternehmen liegt: die Bohrgenehmigung muss versagt werden, wenn das Energieunternehmen nicht nachweisen kann, dass keine Risiken bestehen. Bei der ausstehenden Novellierung des Bergrechts wäre eine entsprechende Beweislastregel zu verankern, falls sie mit dem bisher geltenden Recht nicht vereinbar ist.
Rechtslage / Verwaltungsverfahren
Die Genehmigungsverfahren für die Bohrungen werden in Deutschland von den Bergbehörden (Bezirksregierung Arnsberg als Bergbehörde) nach Bergrecht ohne Beteiligung der Öffentlichkeit abgewickelt. Da die voraussichtlichen Fördermengen unterhalb der Schwelle von einer täglichen Fördermenge von mehr als 500.000 m³ Erdgas liegen, ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgeschrieben.
Die Landesregierung NRW hat durch das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium ihre Haltung gegenüber der Förderung von unkonventionellem Gas im Landtag u.a. durch einen Bericht an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie „Gasvorkommen in Nordrhein-Westfalen“ (Vorlage 15/255 Landtag NRW vom 23.12.2010, 15. Legislaturperiode) sowie den Bericht der Landesregierung zum Thema: „Chancen und Risiken bei Probebohrungen und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas unter besonderer Berücksichtigung von Wasser-, Natur-, Boden- und Klimaschutz“ (Landtagsvorlage 15/360 vom 11.2.2011, 15. Wahlperiode) zum Ausdruck gebracht. Die Landesregierung vertritt danach eine differenzierte Position, die auch die Belange einer sicheren Energieversorgung aus Energieträgern mit einer möglichst geringen CO2-Emission herausstellt und die berechtigten Interessen der Menschen und der Umwelt. „Deshalb muss neben vielen anderen Aspekten, …insbesondere gewährleistet sein, dass bei den technischen Prozessen keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gewässerbeschaffenheit zu besorgen sind und die Nutzungen der Gewässer nicht nachteilig beeinträchtigt werden“ (Vorlage 15/360, Landtag NRW 15. Wahlperiode).
Die Bezirksregierung Arnsberg führte im März 2011 ein Expertenfachgespräch durch, in dessen Mittelpunkt die Bohr- und Frackingtechnik stand. Die Frage, ob eine Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten in Nordrhein-Westfalen technisch möglich, wirtschaftlich sinnvoll und ungefährlich wäre, beantworteten die Fachleute differenziert, weder mit einem klaren Ja noch einem Nein. Regierungspräsident Dr. Gerd Bollermann, der zu der Veranstaltung eingeladen hatte, resümierte in seinem Schlusswort: „Wir benötigen eine Klärung und einen wissenschaftlichen Diskurs, um die Standards festzulegen.“
Die Landesregierung NRW hat im Oktober 2011 ein Gutachten in Auftrag gegeben zur Gesamtbetrachtung der Förderung des unkonventionellen Erdgases in NRW. Die NRW-Landesregierung hat am 18.11.2011 in einem gemeinsamen Erlass von Wirtschaftsministerium und Umweltministerium alle Bohrungen sowie direkte und indirekte Vorbereitungen für Bohrungen mit der umstrittenen Fracking-Methode bis zur Vorlage des Gutachtens gestoppt: „Bis dahin wird es keine behördlichen Entscheidungen über beantragte Genehmigungen für Erdgasbohrungen geben, in denen das umstrittene Fracking geplant, direkt oder indirekt vorbereitet oder technisch möglich ist.“ Auch tiefe Geothermiebohrungen, in denen Frac-Maßnahmen vorgesehen sind, sind bis zur Vorlage des Gutachtens gestoppt. Das Moratorium erfasst nicht bergbauliche Erkundungstätigkeiten, die nicht der Vorbereitung oder Durchführung von Frac-Maßnahmen dienen, wenn die Antragsteller erklären, aktuell und zukünftig auf Frac-Maßnahmen zu verzichten.
Das Umweltbundesamt fordert in seiner „Einschätzung der Schiefergasförderung in Deutschland – Stand Dezember 2011“:
„Zum Schutz von Mensch und Umwelt, insbesondere zum Schutz des Grundwassers sind an jede Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten folgende Mindestanforderungen zu stellen:
- Kein Fracking zur Gewinnung von Erdgas in sensiblen Gebieten (z.B. Trinkwassergewinnungsgebiete, Heilquellen, Mineralwasservorkommen)
- Obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung (für jeden einzelnen Frack sowie das gesamte Gasgewinnungsfeld)
- Grundsätzlich Beteiligung der zuständigen Wasserbehörden zur Bewertung der Auswirkungen auf das Grundwasser
- Vollständige Offenlegung der verwendeten Additive und der exakten Zusammensetzung der Fracturing Fluide für jeden einzelnen Frac
- Registrierung der Fracking-Chemikalien für diese Verwendung gemäß REACH-Verordnung
- Überwachung der Frack-Flüssigkeiten und des Flowbacks (zurückgefördertes Frack- und Lagerstättenwasser) sowie Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung in einem Kataster
- Erstellung eines Notfallplans und Störfallvorsorge
- Gefährdungsanalyse und begleitendes Monitoring durch die Förderunternehmen
Um all diese Aspekte im Rahmen eines umfassenden Verfahrens seriös prüfen und eine breite Behörden- und Bürgerbeteiligung sicherstellen zu können, ist als erster Schritt eine Änderung/Anpassung der „UVP-Verordnung Bergbau“ aus Sicht des Umweltschutzes dringend erforderlich, was zur Folge hätte, dass für künftige Gasschieferexplorationen ein Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müsste.“
Das Land Nordrhein-Westfalen hat 2011 eine Änderung des 40 Jahre alten Bergrechts über eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Für das Gewinnen von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten sollen neben der Fördermenge weitere Tatbestände formuliert werden, die zu einer UVP-Pflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung führen.
Die Initiative wurde im Bundesrat kontrovers behandelt. CDU und FDP haben sich im Herbst 2011 im Wirtschaftsausschuss zunächst mit ihrem Niedersachsen-Antrag durchgesetzt, die Umweltstandards zu Gunsten des Frackings aufzuweichen; NRW hat das Verfahren im Umweltausschuss des Bundesrats angehalten um zu verhindern, dass dieser Pro-Fracking-Antrag durchkommt. Niedersachsen erhält erhebliche Förderabgaben von den Energieunternehmen und vertritt ihre Interessen im Bundesrat. Ob die Bundesratsinitiative der NRW-Landesregierung Erfolg haben wird, ist bei diesem Sachstand offen. Seitens der schwarz-gelben Bundesregierung gibt es aktuell keine entsprechenden Bemühungen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat unter dem 8.11.2011 einen Antrag in den Bundestag eingebracht (Drucksache 17/7612), in dem sie ein Moratorium für die Genehmigung von Frac-Genehmigungsanträgen sowie eine Änderung des Bergrechts fordert. Mit dem Stand vom 4.5.2012 hat die SPD-Bundestagsfraktion eine ausführliche Stellungnahme unter dem Titel Fracking nur unter strengen Auflagen zulassen veröffentlicht.
Auf Antrag von SPD und Grünen führte der Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 21.11.2011 eine öffentliche Anhörung durch zum Thema “Trinkwasserschutz und Bürgerbeteiligung bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas”. Bei der öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses wurde deutlich, dass nach Meinung der Mehrzahl der Sachverständigen die gesetzlichen Regelungen für das Fracking-Verfahren nicht ausreichend seien und das Bergrecht entsprechend geändert werden sollte.
Bundesumweltminister Altmeier hat im September 2012 ein Gutachten vorgestellt mit dem Fazit:
- Die bewerteten, bislang eingesetzten Frack-Fluide weisen ein mittleres bis hohes Gefährdungspotenzial auf
- Formationswässer weisen i.d.R. ein eigenes Gefährdungspotenzial auf
- Im Zusammenwirken mit technischen und geologischen Wirkungspfaden können die stofflichen Gefährdungspotenziale zu Risiken für die Umwelt werden.
- Zu einer fundierten Beurteilung der Risiken fehlen viele und grundlegende Informationen.“
Die Gutachter formulieren vor diesem Hintergrund eine Reihe von Handlungsempfehlungen, die neben dem Ausschluss von Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebieten und Wassergewinnungsgebieten der öffentlichen Trinkwasserversorgung im Wesentlichen daraus herauslaufen, die Risiken durch weitere Untersuchungen zu analysieren und die grundsätzliche bundesrechtliche UVP-Pflicht (inkl. Öffentlichkeitsbeteiligung) einzuführen. Kernsatz: “Fracking nur dann, wenn nachteilige Grundwasserveränderungen ausgeschlossen werden können.”
Die Landesregierung NRW hat ebenfalls im September 2012 das Ergebnis des von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens vorgestellt. Danach wird es in NRW bis auf Weiteres keine Genehmigungen für Erkundung und Gewinnung unkonventioneller Erdgas-Lagerstätten unter Einsatz von schädlichen Substanzen (Fracking) geben. Darauf haben sich das zuständige Umweltministerium und das Wirtschaftsministerium nach der Auswertung der Risikostudie zur Bohrtechnologie geeinigt. „Der Schutz der Menschen und der Umwelt hat für die Landesregierung oberste Priorität. Daher nehmen wir die Ergebnisse des Gutachtens ernst. Der Einsatz der Fracking-Technologie kann derzeit und bis auf Weiteres in NRW nicht genehmigt werden”, sagten Umweltminister Johannes Remmel und Wirtschaftsminister Garrelt Duin bei der Vorlage des Gutachtens in Düsseldorf. Die Landesregierung folgt damit den Empfehlungen der Gutachter.
Wegen der derzeit unsicheren Datenlage und der nicht auszuschließenden Umweltrisiken empfehlen die Gutachter aus wasserwirtschaftlicher Sicht, Fracking-Aktivitäten in Wasserschutzgebieten, Wassergewinnungsgebieten der öffentlichen Trinkwasserversorgung, in Heilquellenschutzgebieten sowie im Bereich von Mineralvorkommen nicht zuzulassen und die genannten Gebiete für diese Zwecke auszuschließen. Es soll aber der Versuch gestartet werden, gemeinsam mit Unternehmen und der Wissenschaft zu überlegen, welche konkreten Erkenntnisse die Erkundungen letztlich liefern müssen, um die Informations- und Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen. Erst nach dieser weiteren Abklärung sollen die zuständigen Behörden Anträge zur Genehmigung von Erkundungsbohrungen ohne Fracking im Einzelfall prüfen. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt der nordrhein-westfälische Moratoriumserlass vom 18.11.2011 zunächst weiter.
Im Februar 2013 wurde berichtet, dass Bundesumweltminister Altmaier (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP) einen Verordnungsentwurf abgestimmt hatten. Danach sollte das Fracking außerhalb von Trinkwasserschutzgebieten unter dem Vorbehalt einer Umweltverträglichkeitsprüfung zugelassen werden.
SPD-Bundestags- und Landtagsfraktion NRW haben diesen Entwurf von Regelungen zur Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mit der Fracking-Technologie zurückgewiesen. Frank Schwabe, stellv. umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber, stellv. Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Eiskirch, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Meesters, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, sowie Rainer Schmeltzer, stellv. Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion erklärten im März 2013:
“Die Förderung von Erdgas mit der Fracking-Technologie kann zu Verunreinigungen des Trinkwassers führen. Viele Fragen der Auswirkungen auf die Umwelt sind noch ungelöst. Vor dem Hintergrund der Energiewende spielt Erdgas eine wichtige Rolle als Brückentechnologie auf dem Weg zu einer von erneuerbaren Energien getragenen Energieversorgung. Wegen der Umweltauswirkungen gibt es jedoch gravierende Vorbehalte gegen Fracking. Oberstes Gebot muss Sicherheit und Schutz von Mensch und Umwelt sein. Der Schutz des Trink- und Grundwassers muss sichergestellt sein und Wissens- und Informationsdefizite müssen beseitigt werden.
Bei der unkonventionellen Förderung von Erdgas nehmen wir die Sorgen der Menschen um sauberes Trinkwasser ernst. Wir sehen auch die möglichen Vorteile einer heimischen Erdgasgewinnung, wollen aber unabdingbar zuerst klären, ob und unter welchen Rahmenbedingungen die Technologie in Deutschland verantwortet werden kann.
Wir sorgen für einen Verzicht von Fracking, bis alle Risiken für Gesundheit und Umwelt bewertet und ausgeschlossen wurden. Ob Fracking-Technologien künftig auch ohne gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien auskommen, ist ungewiss und kann derzeit nicht als Entscheidungsgrundlage dienen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass keine Genehmigungen für die Aufsuchung und Erschließung von unkonventionellen Erdgasvorkommen genehmigt werden, bevor nicht alle Umweltrisiken bewertet und letztendlich ausgeschlossen werden können. Dieser Verzicht in Form eines Moratoriums soll mindestens solange gelten, bis Fracking-Methoden ohne den Einsatz giftiger Chemikalien zur Verfügung stehen.
Die Bundes- und die Landesregierungen müssen unter Einbeziehung der Wissenschaft und Vertretern der Zivilgesellschaft in einem gemeinsamen Prozess mit den Unternehmen überlegen, welche konkreten Erkenntnisse Erkundungen letztlich liefern müssen, um die bestehenden Informations- und Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen.
Am Ende der Bewertung kann auch der endgültige Ausschluss eines solchen Verfahrens für unser dicht besiedeltes Land stehen.
Der Vorschlag der Bundesregierung zum Thema Fracking vom 25. Februar 2013 ist ungenügend, ignoriert die Sorgen vieler Menschen und bleibt hinter den Anforderungen zurück. Anstatt der klaren Formulierung des Bundesrates zur Umweltverträglichkeitsprüfung zu folgen, hat die Bundesregierung nur eine abgeschwächte Form vorgelegt. Keine Aussage findet sich im Vorschlag der Bundesregierung zu giftfreien Frackfluiden, die bereits von den Bohr-Unternehmen selbst in Aussicht gestellt wurden. Auch ein Verbot des Verpressens der Rückflüsse in den Untergrund fehlt. Die Gefahr von Erdbeben oder die Sicherheit der Bohrlöcher wird nicht angesprochen. Es wird der Debatte um Fracking nicht gerecht, wenn die Bundesregierung nur diese Gesetzesänderungen vorschlägt.
Es ist notwendig zuerst die möglichen Risiken von Fracking zu erforschen und Bohrungen mit Fracking-Maßnahmen nicht zu genehmigen. Einfache Bohrungen ohne Fracking mit enger wissenschaftlicher Begleitung oder Forschungsbohrungen ohne Fracking müssen dagegen möglich sein können. Für die Behebung der in den Gutachten erkannten Wissens- und Datendefizite sind solche Bohrungen dringend notwendig.”
Die schwarz-gelbe Bundesregierung legte nach dieser Kritik (und wohl auch aus Angst vor den Wählern) das Projekt einer rechtlichen Neuregelung des Fracking auf Eis. Vom Tisch ist es damit nicht, mit einer gesetzlichen Regelung ist aber – unter der Federführung einer neuen Bundesregierung – nicht vor dem Jahr 2014 zu rechnen.
Widerstand formiert sich
In Spelle (Landkreis Emsland) betreibt die Interessen-Gemeinschaft “Schönes Lünne” eine Unterschriften-Aktion gegen die geplante Erdgas-Förderung. Rund 70 Bürger trafen sich Mitte Januar 2011, um eine Resolution zu verabschieden. Darin lehnen sie die Förderung durch das umstrittene “Fracking-Verfahren” ab, bei dem giftige Chemikalien freigesetzt werden. Sollte es dennoch dazu kommen, fordern sie eine Unverträglichkeitsprüfung, an der die Öffentlichkeit beteiligt wird, auch der Bürgermeister forderte am 13.1.2011 für diesen Fall ein Gutachten sowie ein Beteiligungsverfahren: „Das Gefühl ist nicht besonders gut … mulmiges Gefühl …“. Die Probebohrung in Lünne ist inzwischen ohne Einsatz der Fracking-Technik abgeschlossen.
In den Kommunen Nordwalde und Drensteinfurt, wo ExxonMobil in unmittelbarer Nachbarschaft von Münster bohren will, und im Westmünsterland hat sich auf breiter Basis bürgerschaftlicher Protest organisiert.
Eine Übersicht über weltweite Aktivitäten gegen Fracking finden Sie hier.
ExxonMobil
ExxonMobil lehnt es bisher ab, alle weiteren Erkundungen im Bereich der unkonventionellen Gasförderung auszusetzen, bis die Risiken für Mensch und Natur abgeschätzt werden können. Ein von ExxonMobil beauftragter “Neutraler Expertenkreis” hat 2012 eine Reihe von Gutachten vorgelegt. Die Peer Reviews zu diesen Einzelgutachten hat ExxonMobil nicht auf Deutsch veröffentlicht; bei der Lektüre der Zusammenfassung stolpert man schnell über zweifelhaftes Lob (“I like a lot of the graphics, although I couldn’t understand some of them.”) und stößt schnell auf kritischen Vorbehalt (“Indeed, you say in the intro and imply in the recommendations that there are some serious risks, serious enough to hold up development, except for a pilot.”).
Münster muss sich positionieren
In den zurzeit laufenden Genehmigungsverfahren für die Probebohrungen im Münsterland geht es darum:
- Die Stadt Münster muss sich in die Genehmigungsverfahren einbringen und darauf drängen, dass die Bergbehörden sich bei allen Bohrungen nicht über das Votum der Wasserbehörden hinwegsetzen; schon bei den Probebohrungen werden die höchst problematischen Chemikalien in den Boden eingebracht, „um das Bohrloch zu desinfizieren“.
- Die Öffentlichkeit muss beteiligt werden. Die Qualität unseres Trinkwassers ist unverzichtbare Lebensgrundlage und geht Alle an.
- Bevor kein überarbeiteter und angemessener rechtlicher Rahmen für kommende Genehmigungsverfahren vorliegt, sollten auch keine Probebohrungen gestattet werden.
Die SPD hat sowohl in der Bezirksvertretung Hiltrup als auch im Rat Anträge eingebracht mit der Aufforderung an die Verwaltung, einen Bericht zu den Risiken und Kompensationsmöglichkeiten der geplanten Gasbohrungen im Münsterland vorzulegen.
Mit der Vorlage V/0226/2011 vom 21.4.2011 erstattete die Verwaltung einen Zwischenbericht mit der Kernaussage:
„… In den zurückliegenden Monaten hat sich eine intensive Diskussion um die Förderung unkonventionellen Erdgases entwickelt, in der bislang eine zufriedenstellende Beantwortung sicherheitsrelevanter Fragestellungen offen geblieben ist. … Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisher zur Verfügung stehenden Informationen zu den hydrogeologischen und chemisch-toxikologischen Themen keine ausreichenden Antworten auf die im Antrag gestellten Fragen zu lassen. Die Stadtwerke Münster GmbH hat bereits im Januar 2011 ihre kritische Haltung zur Unkonventionellen Gasförderung bzw. zum Fracking im Umland von Münster in einem Brief an die Bezirksregierungen Arnsberg und Münster (s. Anlage 4) zum Ausdruck gebracht.“
Die Verwaltung verwies darauf, dass die Landesregierung ein Gutachten in Auftrag gab, und kündigte nach dessen Abschluss (voraussichtlich Sommer 2012) einen Bericht an. Dieser Bericht steht noch aus.
Auf Antrag der SPD Hiltrup-Berg Fidel hat sich der SPD-Unterbezirk Münster auf seinem Parteitag am 19.11.2011 mit dem Thema befasst. Ohne Gegenstimmen hat der Parteitag den Antrag „Mehr Bürgerbeteiligung bei Gasbohrungen: Moratorium für schärfere Vorschriften nutzen“ beschlossen mit diesen Kernforderungen:
1.Unsere natürlichen Lebensgrundlagen, vor allem der Schutz unseres Trinkwassers haben Vorrang vor der Ausbeutung unkonventioneller Gasvorkommen im Münsterland.
2.Die SPD Münster fordert ein neues Bergrecht: Bürgerbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung müssen verpflichtend eingeführt werden in die Verwaltungsverfahren, in denen über die Zulassung von Gasbohrungen entschieden wird.
3.Die Verwaltung wird aufgefordert, schon vor dieser Gesetzesänderung die Bürger umfassend zu beteiligen und die Standards einer Umweltverträglichkeitsprüfung einzuhalten.
4.Solange Gefährdungen unserer natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere des Trinkwassers nicht ausgeschlossen werden können, darf es keine Genehmigungen für Gasbohrungen geben.
Den vollständigen Text des Beschlusses des SPD-Parteitages Münster finden sie hier.
Informationen
Einen kurzen informativen Überblick über das Thema gibt ein Fernsehbericht von Monitor von November 2010. Die Zusammenfassung eines Vortrags des amerikanischen Wissenschaftlers Prof. Dr. Ingraffea findet sich auf www.peak-oil.com.
Informationen über die Interessengemeinschaften in Nordwalde und Drensteinfurt findet man unter www.gegen-gasbohren.de, weitere Informationen auch unter www.unkonventionelle-gasfoerderung.de.
Aktuelle Berichterstattung der Münsterschen Zeitung: SpezialGasbohrungen in NRW.
(Dieser Beitrag wurde letztmalig aktualisiert am: 15.03.2014)
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