Berliner Krankheit in Hiltrup? / 17.02.10
Eigentlich haben wir uns schon daran gewöhnt, dass in Berlin keine Bundesregierung, sondern Chaos herrscht. Immer nach der Melodie: keiner weiß, wo es lang geht.
Nun haben wir ein Plagiat in Hiltrup – womit haben wir das verdient?
Da blamierte sich die münstersche CDU noch vor Kurzem mit der Idee, die Ruhr-SPD zu Hilfe zu rufen, um Rot in Münster am Kohleausstieg zu hindern. Stefan Weber, peinlich gescheiterter Landtagskandidat aus Amelsbüren, wollte unbedingt Kohlestrom für Münster aus dem Kohlekraftwerk in Hamm.
Jetzt kommt aus Webers CDU-Kreisverband genau das Gegenteil. Der flotte CDU-Antrag für die Bezirksvertretung Hiltrup vom 3.2.2010 trägt „CDU Münster“ und „CDU-Kreisverband Münster e.V.“ als Absender, nur ganz klein steht auch die Hiltruper CDU-Fraktion mit drauf (ach ja, unterschreiben durften sie auch). Und was lesen wir staunend, ungläubig fällt uns fast die Kaffeetasse aus der Hand? „Weltweit und in Deutschland [als ob Deutschland auf einem anderen Planeten liegt!] werden selbst bei größten Anstrengungen … die fossilen Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) unverzichtbar bleiben.“ Ja, das kennen wir doch, verbrennt Kohle in Hamm und ruft die Sozis zu Hilfe. Aber dann kommt’s: „Die CDU setzt sich im Stadtbezirk Hiltrup für eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Strombereitstellung auf 30 Prozent bis zum Jahr 2020 ein.“ Haben die denn zu viel Olympia-Eiskunstlauf geguckt, müssen die denn unbedingt auch den Doppel-Axel springen? Wir wissen doch, dass das nicht klappt: solche Pirouetten muss man stehen können!
Da haben wir’s jetzt. Nicht nur in Berlin, auch in Münster hat die CDU keine Linie. Stattdessen: hilfloses Hin- und Her-Hetzen. Mit der Kohleverstromung nicht up to date? Nun, wenn das dem Publikum nicht gefällt, dann erzählen wir schnell was anderes, versuchen wir’s doch mal mit Öko lauwarm! Und morgen, ja da wird uns auch noch was anderes einfallen …
Eine Politik der Beliebigkeit ist das. Erinnert fatal an Rüttgers Doppel-Axel in Düsseldorf. Der wollte erst die NRW-Finanzen sanieren. Dann wollte er unbedingt allgemeine Steuersenkungen und neue Löcher im NRW-Haushalt. Und schließlich will er (oder doch wieder nicht?) keine weiteren Steuersenkungen zu Lasten der Landesfinanzen. Und sein Koalitionspartner erst …
Natürlich brauchen wir eine viel effizientere Energienutzung als sie ein Standard-Kohlekraftwerk bietet. Natürlich brauchen wir Windkraft, thermische Sonnenenergie und Photovoltaik. Dafür steht die münstersche SPD schon lange. Kapriolen der CDU, die brauchen wir dafür aber nicht.
Wenn die CDU sich wirklich konstruktiv in das Engagement für Klimaschutz in Münster einbringen will, kann sie das auf anderem Wege sehr einfach tun: sie muss nur dem Ratsantrag „Ausstieg aus der Kohleverstromung in Hamm“ vom 14.1.2010 zustimmen. Darin heißt es u.a.:
„Der Rat möge beschließen:
1. Die Stadt Münster bekennt sich zum Klimaschutz und zur Energieeffizienz. Ziel ist es, den CO²-Ausstoß in der Stadt bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, engagieren sich Stadtverwaltung, Politik und alle gesellschaftlichen Gruppen der Stadt gemeinsam.
2. Die Stadtwerke Münster beteiligen sich an dieser Aufgabe mit einem eigenen lokalen Klimaschutzprogramm. Ziel ist es, alle KundInnen der Stadtwerke bis zum Jahr 2025 mit Strom aus erneuerbaren Energien und aus Anlagen der Kraft-Wärme- Kopplung (KWK) versorgen zu können. Strom aus Stein- und Braunkohle sowie aus Atomenergie soll spätestens bis zu diesem Zeitpunkt vollständig vermieden und bis dahin laufend reduziert werden und die Energieeffizienz laufend gesteigert werden.
3. Ziel des Klimaschutzprogramms der Stadtwerke Münster ist es, die heimischen Energieträger Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme (Geothermie) und Bioenergie zu stärken, die Abhängigkeit der Stromversorgung in Münster von fossilen Brennstoffen weiter zu verringern und dadurch die Versorgungssicherheit der KundInnen zu steigern. …“
Die CDU will mit ihrem Alibi-Antrag vom 3.2.2010 in der Bezirksvertretung Hiltrup 30 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie bis zum Jahr 2020 – was für ein ängstliches Ziel. Bereits jetzt stammen laut Stromkennzeichnung der Stadtwerke 23,9 Prozent des in Münster angebotenen Stroms aus erneuerbaren Energien. Nur wer sich ehrgeizige Ziele setzt, wird etwas erreichen: der Ratsantrag vom 14.1.2010 will die 100 Prozent bis 2025 erreichen, warum will die CDU nicht mitziehen?
Die CDU redet davon, Flächen für die Installation von Photovoltaikanlagen anzubieten – warum stimmt sie dann nicht dem Ratsantrag vom 14.1.2010 zu? Darin heißt es u.a.:
„… Projekte für große PV-Anlagen, zum Beispiel auf dem Südhang der ehemaligen Zentraldeponie in Coerde, kommen bislang über technische Konzepte nicht hinaus.
Auch die „Stadtwerke Münster Neue Energien GmbH“ sind hier auf dem richtigen Weg, haben aber bisher nur einige wenige Beteiligungsprojekte realisiert, so die zusammen mit der städtischen Wohnungsgesellschaft W + S gebaute PV-Anlage in der Wohnsiedlung „Nieland“ und die PV-Anlage auf dem Busdepot der Stadtwerke. Die Anlagen werden durch Ökostromerlöse der Stadtwerke und durch Anteile privater Partner finanziert. Ein gutes Projekt, aber noch kein Durchbruch.
Es wird Zeit, dass die Stadtwerke Münster sich hier stärker engagieren. Ziel muss es sein, die Stromproduktion in Münster auf KWK-Technik und auf Erneuerbare Energien umzustellen und so auszubauen, dass Strom aus Kohle und Atom so schnell wie möglich verdrängt werden kann. Ziel ist es, den Bedarf aller KundInnen der Stadtwerke bis zum Jahr 2025 zu 100 Prozent mit Strom aus KWK und aus Regenerativen Energien decken zu können. Die Stadtwerke müssen ihrer Vorbildfunktion für aktiven Klimaschutz stärker gerecht werden und die BürgerInnen stärker als bisher motivieren, hierbei mitzumachen. …
4. 100 Prozent Strom aus Kraft-Wärme-Koppelung und aus Erneuerbaren Energien bis 2025 – Versorgungssicherheit für die KundInnen
Der Verzicht auf die Beteiligung der Stadtwerke an dem „GEKKO“ genannten Kohlekraftwerk der RWE-Power in Hamm setzt Mittel frei, um die dezentrale Versorgung in Münster auszubauen und die Stromversorgung der KundInnen der Stadtwerke krisensicher zu machen. Im Vordergrund stehen dabei folgende Maßnahmen:
•Der Ausbau der Kraft-Wärmekoppelung in Baugebieten und im Gebäudebestand,
•die Nutzung von Biogas aus der heimischen Landwirtschaft als Brennstoff für BHKW und auch als Ersatz für Erdgas,
•die Verbreitung der Windenergie, der Geothermie und der PV-Technik auf breiter Front und in Kooperation mit Vereinen und privaten Investoren,
•die weitere Senkung der CO²-Emissionen der Busse und
•die Energiesparberatung für Haushalts- und GewerbekundInnen der Stadtwerke.
Zu den Aufgaben des Klimaschutzprogramms der Stadtwerke gehört auch die Zusammenarbeit mit der Stadt und der Universität Münster, um beispielsweise ein Solarkataster für Münster zu erstellen, aus dem man entnehmen kann, wie gut sich bestimmte Dachflächen für die Installation von Solaranlagen eignen.
Diese Maßnahmen stärken den Klimaschutz vor Ort, fördern die Nutzung heimischer Energien, verringern die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Übersee und vergrößern die Versorgungssicherheit für die KundInnen der Stadtwerke und für die Stadt Münster. …“
Die CDU muss nur noch eins: Ja sagen zu dieser Ratsvorlage. Ablenkungspapiere in der Bezirksvertretung – die zwar für vieles zuständig ist, aber sicher nicht für die Energieversorgung – sind dagegen ein verklausuliertes Nein.
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