Übergriffig

Erdoğan, Präsident von Deutschland?

Die Türkei befindet sich mitten im Staatsstreich von oben. Es ist die Zeit der Denunzianten: lange Listen von angeblichen Staatsfeinden sind aus den Schubladen gezogen worden, jetzt wird entlassen und verhaftet was das Zeug hält. Die vierte Gewalt, die Medien in der Türkei existieren praktisch nicht mehr, die übriggebliebenen Medien sind gleichgeschaltet als Propagandamaschine für Erdoğan.

Das geht uns an, nicht weil wir in der Türkei etwas zu sagen haben, aber weil die Türkei in der mächtigen Nato neben uns auf der Bank sitzt und lautstark in die EU drängt. Da ist Erdoğan keine Lüge zu plump, zum Beispiel wenn es darum geht, wer den unseligen Flüchtlingsvertrag einhält oder bricht. Aber zu regeln haben wir nichts in der Türkei.

Dafür haben wir zu regeln, was in unserem Land stattfindet. Und da ist das Maß voll.

Erdoğan-Anhänger tragen den brutalen Konflikt, der gerade in der Türkei ausgetragen wird, mitten in unser Land. Die geplante Demonstration in Köln soll das Lob von Erdoğan verkünden, das allein ist ein offener Affront der in Deutschland lebenden Türken gegen unser Land, dem sie ihren Wohlstand verdanken. Aber wenn jetzt berichtet wird, möglicherweise seien Mitglieder der türkischen Regierung eingeladen und planten in Köln zu sprechen, dann reicht’s!

Die Veranstalter der Demo müssen sich fragen lassen, ob sie türkischen Staatsterror nach Deutschland tragen wollen. Aktuell werden bis zu 30.000 Teilnehmer erwartet, deren Sicherheit die deutsche Polizei gewährleisten muss, und die Veranstalter haben laut WDR erst nach langer Verweigerung am Abend des 29.7.2016 den deutschen Behörden Auskunft gegeben, wer als Redner auftritt! Nüchtern betrachtet ignorieren die Veranstalter damit den deutschen Staat.

Die türkische Regierung würde offene Aggression gegen Deutschland üben, wenn sie Regierungsmitglieder in diese aufgeheizte Situation in Köln schickt (falls diese ein Visum erhalten). Angeblich will der türkische Sportminister nach Köln kommen, die Veranstalter sollen auch den türkischen Außen- und den Tourismusminister angefragt haben. Darüber hinaus wollen die Veranstalter durchsetzen, dass Redebeiträge aus dem Ausland auf einer Großleinwand übertragen werden: offensichtlich will Erdoğan sich direkt in Köln einmischen. Die türkische Regierung verweigert deutschen Parlamentariern den Zugang zu den deutschen Soldaten, die in der Türkei eingesetzt sind, aber türkische Regierungsmitglieder stacheln in Deutschland Erdoğans Parteigänger an? Das geht gar nicht. Da ist der Kölner Polizeipräsident auf dem richtigen Wege, wenn er laut über ein Verbot der Demonstration nachdenkt. Die Demonstrationsfreiheit ist ein unantastbares Gut, aber genauso unantastbar sind Leben und Gesundheit. Die bisherigen Ausschreitungen von Erdoğan-Anhängern in Deutschland gegen (angebliche) Gülen-Einrichtungen haben gezeigt, wohin die Reise gehen soll.

Keiner will dabei das Kind mit dem Bade ausschütten. Unsere Mitbürger, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind, gehören genauso zu uns wie die Paohlbürger. Aber dreiste und anmaßende Einmischung von einem Land, das gerade die Bürgerrechte abschafft, verbitten wir uns. Egal welche politischen Ansichten diese Mitbürger haben, der deutsche Staat wird keine Denunzianten-Listen aufstellen und an Erdoğan weiterreichen. Glaubt denn irgendjemand in der Türkei, in Deutschland staatliche Helfershelfer für die Verfolgung Andersdenkender zu finden? Eine lächerliche Vorstellung.