SPD fordert: Mietenwende jetzt

Ein junges Paar bekommt ein zweites Kind, doch eine größere Wohnung können sie sich nicht leisten. Die Friseurin arbeitet in der Stadt, aber sie muss über eine Stunde pendeln, um die Miete bezahlen zu können. Die Löhne in Deutschland steigen, doch explodierende Mietpreise lassen davon immer weniger übrig.
Bezahlbarer Wohnraum für alle ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts.

Darum haben wir mehr Mieterschutz und mehr sozialen Wohnungsbau im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Ein wichtiger und notwendiger Schritt. Doch die dramatische Lage am Mietmarkt zeigt: Wir müssen noch mehr tun! Die SPD ist bereit, kurzfristig kraftvolle Maßnahmen zu vereinbaren, die der Größe der Herausforderung gerecht werden.

In Deutschland fehlen laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung bis zu 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen. Allein in deutschen Großstädten müssen eine Million Haushalte mehr als die Hälfte des Einkommens für die Miete ausgeben. Unser langfristiges Ziel ist, dass niemand mehr als ein Drittel seines Einkommens für die Miete ausgeben muss. In manchen Städten bräuchte mittlerweile die Hälfte der Haushalte eine Sozialwohnung – was den tatsächlichen Bestand weit übersteigt. In den Ballungsräumen ist die Miete längst kein Armutsproblem mehr, sondern auch für Mieterinnen und Mieter mit mittlerem Einkommen zu einer existenziellen Herausforderung geworden. Und während in Städten bezahlbarer Wohnraum knapp ist, stehen in ländlichen Regionen Häuser leer. Hier sind Eigenheimbesitzer oft mit einem massiven Wertverlust ihrer Immobilien konfrontiert. Wir brauchen auch hier dringend eine Trendwende.

Wir wollen einen Mietenstopp, um die Preisspirale zu unterbrechen. In den nächsten fünf Jahren sollen Mieten nur noch um die inflationsbedingte Preissteigerung erhöht werden dürfen – überall dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist. Und wir setzen uns für die beste Mietpreisbremse ein: Bauen, bauen, bauen – und zwar bezahlbare Wohnungen.

Um schnellen Wohnungsbau zu ermöglichen, brauchen wir ein Planungsbeschleunigungsgesetz für den Wohnungsbau. Die Bauaufsichtsbehörden müssen wieder personell besser ausgestattet werden, um ihre Aufgaben zügig erfüllen zu können. Gleichzeitig muss der Bestand an bezahlbaren Wohnungen geschützt werden. Nur, wo Neubau und Bestandsschutz zusammen gedacht werden, kann eine gute Wohnungspolitik entstehen, die sowohl die Anforderungen von wachsenden Metropolen als auch die Bedürfnisse von kleinen Städten und Kommunen erfüllen kann.
Viele private Vermieter und Wohnungsbauunternehmen engagieren sich bereits gemeinsam mit den Ländern und Kommunen für mehr bezahlbaren Wohnraum. Der Bund muss diese Initiativen mit mutigen Maßnahmen unterstützen.

Ein starkes Mietrecht und umfassende Investitionen in Wohnungsbau gehen bei uns Hand in Hand. Mit diesem 12-Punkte-Plan der SPD schaffen wir die Mietenwende. Das ist unsere Antwort auf die soziale Frage des 21. Jahrhunderts.

Erste wichtige Schritte gehen wir in der Regierung bereits. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen einen besseren Mieterschutz und die Stärkung des Wohnungsbaus vereinbart. Vor allem dem sozialen Wohnungsbau geben wir wieder einen kräftigen Schub: mit 2,5 Milliarden Euro für die Länder. Damit der Bund dafür dauerhaft Geld geben kann, werden wir das Grundgesetz ändern. Zusammen mit unserem Mietenpaket sind das wichtige Erfolge.

Gleichzeitig wären wir als SPD gern weiter gegangen als es mit der Union bislang möglich war. Der Druck auf dem Mietmarkt ist heute so dramatisch, dass wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen.
Wir fordern deshalb die Union auf, eine wirksame Mietenwende nicht weiter zu
blockieren. Wir wollen handeln!

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Um die Mietenwende zu schaffen, halten wir folgende weitere Maßnahmen für notwendig:

1. Wir müssen jetzt handeln und zwar schnell! Deshalb schlagen wir einen Mietenstopp vor. Das bedeutet, dass Bestandsmieten und Mieten bei Neuvermietungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten für 5 Jahre nur in Höhe der Inflation steigen dürfen. Modernisierungen bleiben im Rahmen der nun abgesenkten Modernisierungsumlage weiterhin möglich. Wurde bei Vermietung mehr verlangt als zulässig, sollen die Mieter künftig die zu viel gezahlte Miete zurückverlangen können – auch bei der schon bestehenden Mietpreisbremse.

2. Wir wollen bei öffentlich geförderten Wohnungen günstige Mieten länger garantieren. Die Höhe der Förderung koppeln wir daher künftig an die Dauer der Bindung. Investoren, die sich langfristig binden, sollen stärker profitieren. Unser Ziel ist: Was einmal öffentlich geförderter Wohnraum war, muss es auch langfristig bleiben. Mit ausreichend preisgebundenen Wohnungen, insbesondere in öffentlicher Hand, in Sozialbindung oder genossenschaftlicher Trägerschaft nehmen wir Druck aus dem Markt. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt wollen wir, dass bei Neubauprojekten zur Hälfte preisgebundene und preisgedämpfte Wohnungen entstehen.

3. Für bezahlbare Mieten brauchen wir einen neuen Sozialpakt zwischen der öffentlichen Hand und Immobilieneigentümern. Wer im Interesse der Mieter baut und nicht nur für den eigenen Profit, soll vom Staat unterstützt werden. Dieser kann private Unternehmen, die sich zu bestimmten solidarischen Kriterien verpflichten, etwa durch Steuervorteile und günstigeres landeseigenes Bauland bevorzugen. Dafür müssen Unternehmen ihren Gewinn beschränken, vorrangig und dauerhaft an besondere Bedarfsgruppen vermieten sowie die verstetigte Mietpreis- und Belegungsbindung und die Mietermitbestimmung wahren. Auf diesem Wege soll ein breites und räumlich verteiltes Angebot von dauerhaft belegungs- und mietpreisgebundenen Wohnungen entstehen.

4. Spekulation mit Boden und Wohnimmobilien treibt die Mieten nach oben und muss deshalb unterbunden werden. Kommunen müssen nicht genutzte Baugrundstücke mit höheren Abgaben belegen können, so dass Spekulation unattraktiver wird und Anreize gesetzt werden, zügig zu bauen. Gleichzeitig müssen Baurechte in Innenstädten verstärkt mit Baupflichten einhergehen. Wenn die öffentliche Hand Grundstücke verkauft, soll eine Baupflicht im Kaufvertrag festgeschrieben werden.

5. Der Grundstücks- und Immobilienmarkt in Deutschland ist undurchsichtig. Das hilft Spekulanten, die auf den steigenden Wert leerstehender Wohnungen und unbebauten Landes wetten. Daher wollen wir Transparenz durch ein Flächen- und Immobilienregister, das ersichtlich macht, welche Flächen bebaut werden könnten aber nicht genutzt werden. Weitere Instrumente muss insbesondere die Expertenkommission „nachhaltige Bodenmobilisierung und Bodenpolitik“ beim BMI beraten und Vorschläge erarbeiten – etwa: ein Planungswertausgleich, eine Besteuerung von spekulativen Bodenwertzuwächsen und Innenentwicklungsmaßnahmen.

6. Wir stellen mehr Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt her, indem wir den Missbrauch bei der Grunderwerbsteuer mittels „Share Deals“ schnellstmöglich beenden. Diese sogenannten „Share Deals“ ermöglichen es Immobilienunternehmen, die Grunderwerbsteuer zu umgehen, indem sie Objekte erst in eine Firma überführen und im Anschluss Anteile (engl. Shares) dieser Firma verkaufen. Durch diesen Steuertrick sparen Immobilienunternehmen hunderte Millionen Euro auf Kosten der Allgemeinheit.

7. Das weitverbreitete Geschäftsmodell, Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln, verschärft die Wohnungsnot in angespannten Mietmärkten. Langjährige Mieterinnen und Mieter können sich den Erwerb der Immobilie trotz Vorkaufsrecht oft nicht leisten und müssen dann umziehen. Zudem nutzen Eigentümer diverse Ausnahmen, um bereits existierende Umwandlungsbeschränkungen in Milieuschutzgebieten zu umgehen. Wir wollen, dass die geltenden Ausnahmen für Umwandlungsverbote auf ein Minimum reduziert werden und nur in Einzelfällen und in Absprache mit den Kommunen geltend gemacht werden können. Wir prüfen zudem, ob bestehende Umwandlungsverbote z.B. auf Kommunen und Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgeweitet werden können.

8. Der Eigentümer einer Wohnung hat das Recht, sie auch zu bewohnen. Zu häufig wird aber Eigenbedarf vorgetäuscht, damit die Wohnungen im Anschluss teurer vermietet oder verkauft werden können. Um diesen Missbrauch zu verhindern, wollen wir die gesetzliche Regelung für die Eigenbedarfskündigung zu Wohnzwecken schärfen und Missbrauch stärker ahnden. Dazu wollen wir gesetzlich klarstellen, was ein hinreichender Bedarfsgrund ist.

9. Um den Erwerb von Eigentum zu erleichtern, führen wir das Bestellerprinzip bei Maklergebühren auch beim Erwerb von Immobilien ein. Damit müssen Käuferinnen und Käufer künftig in der Regel die Maklergebühren nicht mehr bezahlen.

10. Um die zunehmende Vertreibung sozialer und kultureller Projekte – etwa Kindertagesstätten oder betreute Wohnprojekte von sozialen Trägern – aus den Innenstädten zu stoppen, wollen wir das soziale Mietrecht ausweiten. Für diese Projekte sollen also ebenfalls Regelungen des sozialen Mietrechts, wie etwa ein effektiver Kündigungsschutz und eine Begrenzung zulässiger Mieterhöhungen, gelten. Ein solcher Schutz ist unverzichtbar, um die vielfältige Mischung aus kleinen Gewerbebetrieben, sozialen und kulturellen Projekten sowie Wohnraum in den Städten zu erhalten.

11. Studierende und Auszubildende sind besonders von Wohnungsnot und steigenden Mieten betroffen. Ihr Wohnraum darf nicht primär als Geldanlage dienen, sondern muss bezahlbar sein! Deshalb müssen wir einen Pakt für studentisches Wohnen schließen: Studierendenwohnheime stärken und Neubau fördern. Auch Azubis wollen wir den Zugang zu gefördertem Wohnraum ähnlich ermöglichen wie Studierende. Zudem wollen wir die Kooperation zwischen Studierendenwerken und kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen unterstützen.

12. Viele Menschen leben bewusst und gerne im ländlichen Raum. Die hohe Lebensqualität müssen wir erhalten. Neben der Sicherung und dem Aufbau sozialer und digitaler Infrastruktur sind auch städtebauliche Maßnahmen notwendig. Teilweise ist auf dem Land der Neubau günstiger als die Renovierung leerstehender Häuser im Ortskern. Der Bund und die Länder sollten daher stärker in lebendige Ortskerne investieren. Beispielsweise sollten alternative Nutzungen von Wohnbestand, Mehrgenerationenhäuser, Studierendengemeinschaften und Renovierungen gefördert werden. Beispielhaft ist hier das kommunale Förderprogramm „Jung kauft Alt – Junge Menschen kaufen alte Häuser“. Kommunen werden wir beim Rückbau leerstehender Gebäude unterstützen und sie anhalten, erst den Leerstand abzubauen, bevor sie neue Bauflächen ausweisen.

Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist der bezahlbare Wohnraum. Die Antworten, die der Koalitionsvertrag liefert, sind gut, reichen allerdings nicht aus. Wir sind bereit, mutige und kraftvolle Maßnahmen umzusetzen, die der Größe der Herausforderung gerecht werden.

Andrea Nahles und Thorsten Schäfer-Gümbel

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