Dobrindt: erst die Maut, jetzt der nächste Knaller
Alle Jahre wieder steht die Privatisierung vor der Tür. Private sind billiger, schneller, schöner, moderner, überhaupt können sie Alles besser – das Lied wird in unzähligen Strophen gesungen, jedes Jahr wieder, jeder neue Minister muss den Refrain “Ich bin nicht schuld, wenn es nicht vorangeht” auswendig hersagen können. Jetzt ist Dobrindt dran: eine Bundesautobahngesellschaft soll her, „wir können uns keinen Investitionsstau wegen mangelnder Baureife bei Autobahnen und Bundesstraßen leisten“, wird er zitiert.
Ja hatten wir das nicht schon? Früher hieß das PPP, Public-Private-Partnership, und der Bundesrechnungshof war nicht begeistert. Aber schauen wir uns das Projekt Bundesautobahngesellschaft näher an:
Das Planen und Bauen von Autobahnen ist ein nicht ganz einfacher Dialog. Planen heißt, teure Ingenieure (ob nun als Angestellte der Privatwirtschaft oder als Beamte) mit einem konkreten Auftrag einzusetzen. Ins Blaue hinein investiert niemand Millionenbeträge in so eine Planung. Vorher muss klar sein, dass es auch Geld zum Bauen geben wird, wenn die Planung fertig ist. Bei komplizierten Projekten mit vielen Beteiligten mit vielen gegensätzlichen Interessen und einem nicht unbeachtlichen Prozessrisiko reden wir hier über einen Zeithorizont, der mehrere Jahre, aber auch schon mal 20 bis 30 Jahre umfassen kann. Was das kostet, ist leicht einzuschätzen. Es braucht also einen verlässlichen Planungs- und Bauauftrag. Anders gesagt: wer eine solche Planung anfängt und nicht weiß, ob er jemals das Geld zum Bauen bekommen wird, trägt ein hohes Risiko.
Auftraggeber für solche Aufträge ist der Bundesverkehrsminister, zurzeit also Dobrindt. Der Bundesverkehrsminister hat aber, was Geld zum Bauen angeht, immer nur einen sehr begrenzten Horizont: am Anfang des Haushaltsjahres weiß er ungefähr, wie viel Geld er im laufenden Jahr für die Autobahnen hat. Das kann sich im Laufe des Jahres schon drastisch ändern: plötzlich braucht der Finanzminister dringend Geld und kürzt den Etat des Verkehrsministers – oder andere Geldempfänger schaffen es nicht ihr Geld auszugeben, und “die Straße” muss plötzlich ganz viel Geld zusätzlich ausgeben. Denn das Geld muss bis zum Ende des Haushaltsjahres weg, Stichwort “Dezemberfieber”.
So ist der Planungshorizont des Verkehrsministers schon innerhalb eines Jahres nicht sicher. Zwanzig Jahre im Voraus, vom Start einer komplizierten Planung bis zur Verkehrsfreigabe, kann kein Minister die verfügbaren Haushaltsmittel voraussehen.
Damit kommen wir zu den Auftragnehmern für Planung und Bau, das sind in Deutschland im Wesentlichen die Bundesländer mit ihren Straßenbauverwaltungen. Wie ist deren Situation? Der Landesverkehrsminister steckt immer in der Zwickmühle: er soll Personal sparen und auch nur so viele freie Planungsbüros einsetzen, wie er Geld zum Bauen aus Berlin bekommt; andererseits bekommt er Prügel, wenn er einen plötzlichen Geldsegen aus Berlin (siehe oben) nicht annehmen und ausgeben kann. Also fährt er einen mittleren Kurs: so viel Planung vorbereiten, wie nach aller Erfahrung auch Geld kommen wird, und darüber hinaus eine Reserve einplanen für unvorhergesehenes Baugeld.
Was Dobrindt verschweigt: Dieser Mechanismus gilt auch für eine “Bundesautobahngesellschaft”. Die Bundesautobahngesellschaft, die wesentlich enger an das Bundesministerium angebunden wäre als die Landesverwaltungen, würde das planen, was ihr befohlen wird. Dobrindt selbst müsste also viele Jahre im Voraus, über Wahlperioden hinweg (aber: “was schert mich das Reden meines Vorgängers?”) verbindliche Planungsaufträge erteilen: wer konkrete Aufträge erteilt, kann auch meckern, wenn sie nicht rechtzeitig fertig werden. Er müsste also Hellseher sein und finanziell gute Zeiten des Bundeshaushalts sehr weit voraussehen können. Kann Dobrindt das? Seine Vorgänger jedenfalls nicht.
Wirklich gefährlich wird Dobrindts Vorstoß aber , soweit es um neue Schulden geht. Dobrindt möchte einen Parallelhaushalt aufmachen, unabhängig vom Finanzminister und unabhängig vom Parlament. Im Politiker-Sprech heißt das bei Dobrindt, die Bundesautobahngesellschaft hätte die „Chance, sich am privaten Kapitalmarkt langfristig gesichert die passgenaue Finanzierung zu beschaffen“. Das wäre die Chance zum unkontrollierten Schuldenmachen.
Da gibt’s nur eins: Daumen runter. Das wird nichts.