Isoliert in Europa
Wenn überzeugte Europäer in Europa isoliert sind und sich das vom europäischen Ratsvorsitzenden Tusk auch noch öffentlich bescheinigen lassen müssen, ist das tragisch. Wenn sie dann um sich schlagen und dem Nachbarn Österreich Benimmnoten geben wollen, ist das unverantwortlich.
Merkels Desaster in der Flüchtlingspolitik ist allerdings kein persönliches Problem, über das man mit Schulterzucken hinweggehen kann. Mit ihr hat Deutschland sich auf eine Außenseiterposition begeben – das wird viel Mühe kosten, von da zurückzufinden.
Die Balkanroute ist für alle Migranten faktisch geschlossen, gegen Merkels Willen, und Perspektiven für ein europäisches Handeln sind nicht in Sicht. An diesem Befund ändert auch die Wortakrobatik nichts, die Merkel zurzeit noch betreibt. Ist es der drohende Termin der Landtagswahlen am 13. März, den sie mit aller Gewalt ohne Eingeständnis ihres Scheiterns überstehen will? Oder ist es fortgeschrittener Realitätsverlust?
Merkel versucht, der wenig geneigten Öffentlichkeit die Türkei als Heilsbringer zu verkaufen und die europäische Nicht-Einigung auch noch als Erfolg zu preisen. Die Türkei soll’s gegen Geld als Türsteher richten, und jedes Land der EU soll eine Flüchtlingsquote nehmen. Ja wer soll das denn glauben? Türsteher haben gemeinhin nicht den besten Ruf. Ob Erdogan überhaupt Wort halten will, mag offen bleiben. Flüchtlingsquoten sind jedenfalls ein Modell, das sicher nicht funktioniert. Haben wir doch schon: 160.000 sollten in Europa verteilt werden; mehr als ein paar Handvoll sind nicht angekommen. Das wird jetzt erst recht nicht funktionieren. Und wenn: sollen wir mit Steuergeld Herrn Erdogan dabei helfen, eine Diktatur in der Türkei zu etablieren, mit gleichgeschalteten Medien, mit gleichgeschalteter Justiz, Demonstrationsverbot und Militäreinsatz gegen die eigenen Bürger?
Griechenland und die Flüchtlinge bleiben in diesem Spiel auf der Strecke. Die Flüchtlinge in Lebensgefahr, Griechenland unfähig (oder unwillig?) wenigstens Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung zu organisieren. Vor diesem Elend macht Europa gerade die Augen zu, Deutschland ausgenommen aber ohne Rückhalt. Entlädt sich hier ein Zorn, der sich in den letzten Jahren aufgestaut hat? Der Zorn über die Griechen, die mit ihrer anhaltenden Staatskrise, ihren Geldforderungen Viele verärgert haben und Flüchtlinge einfach durchgewinkt haben? Und vielleicht auch der Zorn über ein Deutschland, das seine Maßstäbe in ganz Europa durchsetzen will?
Merkel wird nach den Landtagswahlen die Scherben zusammenkehren müssen. Europäische Lösungen für den Migrationsdruck? Da wird man sich wohl Anderes überlegen müssen, wie wäre es mit einem nationalen Einwanderungsgesetz? Und die europäische Wertegemeinschaft? Eine nette Vokabel, aber in der Bewährungsprobe hat sie versagt. Zu schnell ist die EU zu groß geworden, um diese Diskussion wirklich zu führen. Darum ist Europa nicht verloren: gemeinsame Interessen sind der Klebstoff, der durch die Flüchtlingskrise nicht verloren gegangen ist.
Für die deutschen Wählerinnen und Wähler steht dann eine weitere Herausforderung an. Die Merkel-Besoffenheit, die sich in allen Sympathie-Umfragen zeigt, muss auf den Prüfstand. Ihre Verdienste sollen hier nicht bemäkelt werden, aber: Was macht das mit unserem Land, wenn eine Über-Mutti sich Alles leisten kann und die Parteien, von denen sie getragen wird, dafür die Rechnung zahlen? Können wir uns das auf Dauer leisten, all die Splittergruppen an den Rändern in die Parlamente zu befördern?