Medien: Was nichts kostet taugt nichts

Spiegel online: Porno und Parteipropaganda

Spiegel online kostet nichts. Man muss nur die Werbung aushalten. Konnte man bislang denken. Inzwischen muss man auch die Inhalte – wenn es denn welche sind – aushalten. Der 3. Oktober gibt Arbeitsfrei und damit ausreichend Zeit, diese Perle des Online-Journalismus einmal näher anzusehen.

“Der ewige Kampf gegen das Fressen”, welch geradezu feinsinniger philosophisch angehauchter Text: Ewigkeit, Kampf, menschliche (oder tierische?) Grundbedürfnisse. “Macht, Gewicht und Moral” – muss am Feiertag wohl sein. Aber ist zum Glück “Spiegel plus”, das müsste man bezahlen um es zu lesen, und wer gibt für so einen Schwachsinn schon Geld aus? Also weitergeblättert!

“Ohsumi und die Zell-Müllabfuhr”, ach wären die münsterschen Abfallwirtschaftsbetriebe glücklich, einmal so prominent erwähnt zu werden. Vielleicht dürften die AWM dann auch in Zukunft die gelben Säcke abholen?

“Ein Schriftsteller sollte im Gefängnis gesessen haben”: ja, ist doch nett! Maler müssen arm sein, damit nach ihrem Tod Geschäfte mit ihren Bildern gemacht werden, und Schriftsteller müssen ins Gefängnis. Macht doch nichts, ist eine gute Investition, um berühmt zu werden?

“Überfall auf Kim Kardashian in Paris Gefesselt und ins Bad gesperrt”. Neben all der blöden Politik, Müllabfuhr und Fress-Kampf gibt es doch noch andere menschliche Grundbedürfnisse? Klar, Spiegel will nackte Frauen gefesselt im Bad zeigen. Dumm nur, dass die Fotos Polizisten und Journalisten vor dem Haus zeigen. Nix da mit wie-hieß-die-Frau-nochmal im Bad.

“Junge Deutsche über “Wir sind das Volk” “Das ist ein sehr abstoßender Satz”. Hmm, heute zum Feiertag die übliche Asi-Randale in Dresden, vielleicht gibt es hinter diesem Link ja doch einen ernsthaften Text zur Lage in Sachsen? Nee, Irrtum, Schnipsel gibt es statt Journalismus. Videoschnipsel. Bum-bum-Musik als Deko. Puh, so’n Mist.

“Fotostrecke: Sexfantasien mit Stift und Papier ausgelebt”. Was man da wohl zu sehen bekommt, wenn man dem Link folgt? Echte Fotos über falschen Sex? Kann eigentlich nicht sein. Oder werden da die Stifte fotografiert, mit denen irgendwer Schweinkram gemacht hat? Ach, wahrscheinlich gar nichts davon, also solche Links kann man sich gleich sparen. Für wie blöd halten die Spiegel online-Macher eigentlich ihre Leser?

SPIEGEL TV über Gottesdiener “One-Night-Stands sind selbstverständlich verboten”. Ach du lieber Himmel. Könnt ihr bei Spiegel online immer nur über den Schwanz des Pfarrers nachdenken? So eine billige Nummer.

“Frau vertreibt Krokodil mit Sandale”. Spricht für sich selbst. Das soll ich als Print oder online kaufen?

“Dobrindt erwägt Milliardengeschenk an Daimler und Telekom”, das ist doch ein echter Skandal. Endlich mal Inhalt! Oder? Ach, das hat was mit Toll Collect zu tun, wie buchstabiert man das eigentlich? Aber die Sache muss heiß sein, Skandal-Skandal, “könnte der CSU-Minister auf Einnahmen in Milliardenhöhe verzichten” – Schweinerei, wie kann der nur die Milliarden an Daimler und Telekom verschenken? Da könnte man ja glatt zur Pegida überlaufen, das sind doch alle Volksverrrrrrräter! Vergleich vor Schiedsgericht, steht dann weiter hinten im Kleingedruckten, und die einen angeblichen Fachleute aus dem Ministerium – müssen auf dem Klo wohl mit Spiegel online gesprochen haben – finden das ganz igitt, und die anderen angeblichen Fachleute aus dem Ministerium finden das ganz o.K.. Steht jedenfalls auf Spiegel online. Worum ging’s denn da noch, was, das ist schon 10 Jahre her, und so lange streitet man sich? Ist wohl doch irgendwie schwierig. Und ein Ministerialer hat im Jahr 2014 dazu was geschrieben, entweder hat er selbst dem Spiegel online das gesteckt – ein Extra-Lob für Illoyalität! – , oder ein anderer hat es kopiert und verschickt. Ein Musterbeispiel für Schmieren-Journalismus: in der Überschrift Skandal schreien, und im Text nach und nach die Überschrift relativieren, am Ende die Botschaft “ich weiß es auch nicht, und für meinen begrenzten Horizont ist die Sache viel zu kompliziert”. Hinzufügen muss man noch: die arme Sau, die den Text in der Online-Redaktion verfasst hat, hat wahrscheinlich ganze 10 Minuten Zeit gehabt für Recherche und fürs Schreiben. Für mehr hat das Honorar nicht gereicht. Oder?

Dann ein bisschen Fußball, und Götz George. Das funktioniert immer.

Sonst nichts. Doch: “Experiment: Dieses Paar hatte ein Jahr lang jeden Tag Sex” – also den Link tu ich mir nicht an.

Aber da fehlt doch noch was! Die Mobil-Version hatte doch noch so einen schönen Beitrag über unseren Wirtschaftsminister: “Gabriel gibt den Chefdiplomaten” ist die flotte Überschrift. Na wenn der den Chefdiplomaten gibt, wenn so eine Knallcharge im Schmierentheater den Ernsthaften mimt, das kann ja nur Mist sein! Und in genau dem Ton geht es weiter. “In Teheran entdeckt Sigmar Gabriel den Unterhändler in sich”, als ob der Mann zum Selbsterfahrungskurs mit 120 Wirtschaftsvertretern in den Iran gedüst wäre. Dabei “… säuselt er sich geradezu durch den Montag…”: was, ihr Spiegel-Schreiber, soll Gabriel, der deutsche Wirtschaftsminister, in Teheran sonst tun? Soll er dort Spiegel-Gratisexemplare verteilen? Oder soll er nicht doch ganz einfach – und das ist verdammt schwierig – deutsche Industrie-Interessen vertreten? Die 120 Wirtschaftsvertreter wollen in Teheran nur eins: sie wollen verkaufen. Gabriel soll dabei helfen. Und das ist seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit. An den Exporten hängen nämlich ganz einfach deutsche Arbeitsplätze. Also muss er gut Wetter machen für Made in Germany, auch wenn die deutsche Autoindustrie diese Herkunftsbezeichnung gerade selber demontiert. Gabriel lobt laut Spiegel-Bericht die iranische Regierung dafür, dass sie zu Fragen des Rechtsstaats gesprächsbereit ist, Spiegel online sieht das so: “Also ausgerechnet jene Regierung, die sogar Massenhinrichtungen verteidigt.” Was, Spiegel online, soll Gabriel denn tun? Soll er sagen “Ihr seid Mörder, aber ihr müsst in Deutschland einkaufen”? Hier wird unter dem Mantel des Journalismus primitives Promi-Bashing betrieben. Den machen wir fertig, könnte man das übersetzen. Spiegel, war das nicht mal Augstein? Softporno-Fressen-Müllabfuhr-Blabla-Krokodil-den machen wir fertig. Mehr ist das nicht.