Infrastrukturgesellschaft - die unendliche Geschichte

Straßenbau und Privatisierung

Die Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ist unter Dach und Fach. Zu dem Einigungspaket gehört auch die Bildung einer “Infrastrukturgesellschaft Verkehr”. Die offizielle Sprachregelung lautet, dass diese Gesellschaft “die Investitionen ins Fernstraßennetz bündeln” soll.

Harmlos und nichtssagend hört sich das an. Wer verhandelt und etwas haben will, muss eben was anderes dafür hergeben. Hier wollten die Länder mehr Geld vom Bund; hergegeben haben sie ihre Straßenbauverwaltungen, und zwar den größten Teil: den, der sich um die Bundesstraßen und Autobahnen kümmert. Der perfekte Deal?

In der Praxis bedeutet das einen starken Eingriff in die Straßenbauverwaltung des Landes. Der Landesbetrieb Straßen NRW erledigt diese Aufgaben bislang im Auftrag des Bundes. Seine Straßenbauer und Straßenwärter haben jetzt einen verrückten Zick-Zack-Kurs hinter sich. Traditionell war Straßenbau in NRW eine kommunale Einrichtung, Teil der nordrhein-westfälischen Landschaftsverbände. Das kostete auf der einen Seite, auf der anderen Seite war man sehr nah an den Wünschen und Interessen der Kommunen. Die Kommunalverwaltung hatte bereits frühzeitig auf die politische Privatisierungsdiskussion reagiert und sich reorganisiert, Effizienz war das Stichwort.

Dann kam Clement. Wer kennt ihn heute noch? Als SPD-Ministerpräsident wollte er den Straßenbau auf Biegen und Brechen verstaatlichen. Seine groß angekündigte Verwaltungsstrukturreform scheiterte; um nicht mit ganz leeren Händen da zu stehen, erpresste er sich wenigstens ein Zugeständnis, der Straßenbau musste unbedingt aus der Kommunalverwaltung ausgegliedert und in die Landesverwaltung eingegliedert werden. 2000 war das. Die Startvoraussetzungen waren schlecht: die teilweise schon betriebswirtschaftlich orientierte ehemalige Kommunalverwaltung mit flacher Hierarchie und Eigenverantwortung der Mitarbeiter stieß auf ein Ministerium, das moderne Führungsstrukturen als Teufelszeug ansah.

Viel Kraft (und Geld) verschlang die erneute Reorganisation, um zwei recht unterschiedliche Kommunalverwaltungen und ein sehr autoritär geprägtes Ministerium einander anzunähern. Leitlinie der Straßenbauer in diesem Kraftakt war: wir wollen so gut werden, dass die weit verbreitete Diskussion über eine Privatisierung von Verwaltungsaufgaben gegenstandslos ist. Getrieben wurde die jahrzehntelange Privatisierungsdiskussion von verschiedenen Interessen: die Bauindustrie wollte sich zusätzliche Gewinne erschließen; die Ideologen wollten alle öffentlichen Funktionen aus Prinzip privatisieren (die Tea-Party lässt grüßen); und es gab immer Politiker, die eine Privatisierung – in welcher Form auch immer – dazu nutzen wollten, heimlich am Bundestag und am Bundesrechnungshof vorbei noch mehr Schulden zu machen.

In den Folgejahren wurde Alles über Bord geworfen, das irgendwie nach einer modernen betriebswirtschaftlichen Organisation in Eigenverantwortung roch. Reorganisation beschränkte sich auf weiteren Personalabbau. Die Folgen waren absehbar. Öffentliche Haushalte verhalten sich leider in puncto Investitionen erratisch, es gibt keinen verlässlichen Investitionsplan, auf den man die – oft jahrzehntelangen – Vorplanungen zuschneiden kann. Kommt dann plötzlich Geld, sind entweder keine Pläne fertig, oder die Ingenieure fehlen. Ohne eigenes Personal kein Umsatz: Auch wenn man freie Büros einsetzen will, muss man diese Aufträge ausschreiben und die Büros überwachen.

Jetzt kommt die nächste Umstrukturierung, das Zauberwort lautet Infrastrukturgesellschaft. Was soll’s bringen? Die Landesminister lehnen sich zurück. Gewiss, man verliert ein wenig Einfluss auf die Straßenbauprojekte in der Region, aber man ist auch die Verantwortung für Investitionsstau und marode Brücken los – soll doch Dobrindt die Schlaglöcher und die Sperrung der Rheinbrücke in den Medien erklären! Und das Schönste, die Kosten für das Personal übernimmt in Zukunft der Bund.

Zurück bleiben tausende Mitarbeiter, die sich ein weiteres Mal verschaukelt fühlen. Warum noch sich engagieren in irgendwelchen Organisationsprojekten, wenn man sowieso alle paar Jahre weitergereicht wird wie eine heiße Kartoffel? Die Belange der Beschäftigten, die von Strukturveränderungen betroffen sind, sollen berücksichtigt werden, heißt es in den offiziellen Ankündigungen; was das im Detail für die Mitarbeiter bedeutet, bleibt abzuwarten. Motivationsförderlich ist das sicher nicht.

Die Gesellschaftsform und die Eigentumsverhältnisse einer solchen Gesellschaft bleiben nach den bisherigen vagen Ankündigungen offen. Diskutiert wurde in der Vergangenheit, dass die Gesellschaft den Bau, die Instandhaltung und den Betrieb der Bundesfernstraßen übernehmen, Geld über die Maut einnehmen und “privates Kapital über Kredite einbinden” soll. Eine eher verharmlosende Formulierung: dahinter dürfte der Ansatz stecken, dass der Staat mit dem Vehikel der Infrastrukturgesellschaft in erheblichem Umfang Kredite aufnimmt außerhalb des Bundeshaushalts, also ein Schattenhaushalt. “Wir wollen eine staatliche Gesellschaft, die private Finanzierungen in Anspruch nehmen kann“ wurde Bundesverkehrsminister Dobrindt dazu von der Welt zitiert. Das Eigentum an den Bundesfernstraßen kann dabei durchaus beim Bund verbleiben. Was das mit einer soliden Finanzpolitik zu tun haben soll, bleibt rätselhaft.

Die Bauindustrie ist jedenfalls sehr zufrieden und freut sich auf eine Privatisierung des Straßenbaus. “Die Bauindustrie steht deshalb bereit, den Ländern an dieser Stelle den Rücken freizuhalten”, sie könne zur Entlastung der Länder Teile der Planung übernehmen, etwa im Rahmen von Design-and-Build-Verträgen, erklärt der Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Was zum Beispiel die komba gewerkschaft davon hält, finden Sie hier.