Warum zum Teufel müssen wir uns als Deutsche eigentlich mit so vielen Ländern herumplagen, eine teure Bürokratie in Brüssel und die abenteuerlichsten Projekte in fernen Regionen bezahlen und uns dann noch durch Nazivergleiche beleidigen lassen? Warum also Europäische Union?
Die Antwort: Es geht nicht anders.
Nachbarn hat man, ob man es will oder nicht. Nachbarn kann man nicht wegwünschen, wie die Briten es jetzt versuchen. Man muss miteinander umgehen. Frieden zwischen Nachbarn ist nicht selbstverständlich, man muss miteinander reden. Wohlstand ist nicht selbstverständlich, Bürgerrechte sind es genauso wenig: Alles muss gepflegt und weiter entwickelt werden, und es muss in einer Welt voll krasser Interessenkonflikte verteidigt werden. Deutschland bildet mit seinen Nachbarn in Europa eine Wertegemeinschaft, da geht es nicht nur um Geld sondern auch um ethische Grundüberzeugungen.
Kein Land in Europa ist stark genug, diesen Schatz allein durch die Zeit zu bringen. Die Nationalisten, die jetzt in Großbritannien über den Brexit jubeln, belügen ihre eigene Nation. Zusätzliche 350 Millionen Pfund pro Woche, 18 Milliarden Pfund jährlich hat Boris Johnson dem Nationalen Gesundheitssystem versprochen nach dem Austritt aus der EU – wie konnten die Briten nur so dumm sein, eine solche Lüge zu glauben? Cornwall hat für den Austritt gestimmt und jammert jetzt über den Verlust von 400 Millionen Pfund Subventionen aus Brüssel bis 2020 – haben die Leute wirklich den Rattenfängern vertraut, die ihnen den Ausgleich aus der britischen Staatskasse versprochen haben? Selbst dem ultranationalistischen polnischen Machthaber Kaczynski fährt der Schreck in die Glieder: müssen die hunderttausende Polen, die in England das Geld für ihre Familien verdienen, jetzt zurück in die polnische Arbeitslosigkeit? Und wer stärkt Polen den Rücken gegenüber seinen östlichen Nachbarn, die ungeliebten Deutschen etwa?
Die EU wird ihren Weg auch ohne Großbritannien gehen. Die europäische Wirtschaft wird leiden, aber sie wird dadurch nicht untergehen. Die europäische Politik aber wird sich nach einer Phase der Erschütterung umso stärker auf die Notwendigkeit der Europäischen Union besinnen. Die Zusammenarbeit im Inneren muss enger werden, damit sie effektiver wird. Gleichzeitig muss die Abgrenzung nach außen deutlicher werden: bei allem Verständnis für diplomatische Feinheiten, wer demokratische Grundregeln verletzt hat in der Union nichts zu suchen. Islamistische, autokratische, kleptokratische Länder gehören nicht in die EU.
Optimismus ist also angesagt für die Europäer. Ein wenig Mitgefühl, aber nur ganz wenig, gilt den Briten, die sich jetzt fragen was sie gerade gemacht haben. Out is out, good bye!