Heute berichteten viele Medien wieder einmal folgendes: “Der Mangel an Fachkräften und Nachwuchs ist aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) die größte Herausforderung für die Wirtschaft.”
Nun, das ist nicht wirklich neu. Seit Jahrzehnten diskutieren wir die demografische Entwicklung. Es ist überall bekannt, das die Zahl der Schulabgänger sinkt und immer mehr von ihnen ein Studium beginnen. Folglich bleiben also weniger für eine “Lehre”, also eine duale Berufsausbildung (bestehend aus Ausbildungsbetrieb und Berufsschule) übrig.
DIHK-Präsident Eric Schweitzer forderte laut der deutschen Presse Agentur verschiedene “Gegenmaßnahmen” – wohl gegen den Anstieg der Studentenzahlen.
Seine Ideen dazu:
> „Das duale Ausbildungssystem muss wieder gestärkt werden und mehr wertgeschätzt werden“
> „Die Berufsschulen sind zum Teil in einem maroden Zustand…”
> “An Gymnasien muss es flächendeckend Berufsorientierung auch zur beruflichen Bildung geben“
Ich denke er sollte einmal mit den jungen Menschen reden, die er gern für eine duale Ausbildung gewinnen will. Im Münsterland wird das Handwerk sicherlich noch mehr geschätzt als in vielen anderen Regionen Deutschlands, unsere Schulen sind recht guten Zustand – und da knapp 50% der Abiturienten nach dem Abi kein Studium beginnen, kann es um die Berufsinformation im Gymnasium auch nicht schlecht bestellt sein.
Es muss also andere Gründe geben, die der Präsident Deutschen Industrie- und Handelskammertags nicht kennt.
Ich spreche auf Berufsinformationsmessen, Ausbildungsbörsen oder in Schulen immer wieder mit Jugendlichen, die sich Gedanken zur Berufswahl machen. Nach meinem Eindruck tun dies die allermeisten ernsthaft und kompetent. Sie wünschen sich nicht nur eine Lehrstelle, also einen Einstieg ins Berufsleben, sondern sie wollen auch wissen was danach kommt. Klare Forderung: Nach dem Einstieg muss der Aufstieg kommen! 45 oder gar 50 Jahre immer das Gleiche – das ist für die meisten abschreckend. Oft bleiben aber die Ausbildungsanbieter undeutlich, wenn es gilt klar und deutlich zu beschreiben, welche konkreten Wege für wie viele ihrer Azubis wirklich im Angebot sein werden. (Beispiel: Wie viele Meister braucht ein Betrieb?)
Ein weiterer Aspekt ist, das viele Jugendlich auch Zweifel haben, ob man die angebotenen Berufe wirklich bis 67 oder 70 ausüben kann. Sie vermissen Vorbilder, die es zum Beispiel im Baugewerbe gesund geschafft haben bis 70 zu arbeiten. In akademischen Berufen finden sie diese häufig. Und sie haben recht mit der Feststellung, das Berufe die mit hohen körperlichen Belastungen verbunden sind, meistens nur bescheiden bezahlt werden. Also, hohes Gesundheitsrisiko und geringes Gehalt.
Mein Eindruck ist, die Jugendlichen verhalten sich vernünftig. Von schönen Broschüren oder Kampagnen lassen sie sich seit Jahren nicht blenden. Sie prüfen Angebote mit ihren Augen/Erwartungen und treffen ihre Wahl. Wer sie nicht ernst nimmt, hat keine Chance Herr Schweitzer.
Hermann Geusendam-Wode