Volker Jaks vom Mieterverein Münster war am 11. Mai 2023 zu Gast bei der Auftaktveranstaltung der Hiltruper Gespräche. Der SPD-Ortsverein Hiltrup Berg Fidel hatte unter dem Titel „Wohnen in Münster — bald nur noch für wohlhabende Singles?“ alle Interessierten zu einem offenen Gesprächsabend eingeladen. Der Vorsitzende und Geschäftsführer des Mietervereins im Deutschen Mieterbund (DMB) berichtete in dem gut gefüllten Sitzungszimmer der Stadthalle Hiltrup über die zum Teil prekäre Situation von Mieterinnen und Mietern in Münster.
Missbrauch der Eigenbedarfskündigung
Besonders sorgte sich der Jurist über den zunehmenden Missbrauch der Eigenbedarfskündigung. Die Drohung mit Eigenbedarf werde vermehrt dazu genutzt, ungerechtfertigte Mieterhöhungen durchzusetzen. Mieterinnen und Mieter seien dem weitgehend schutzlos ausgesetzt. Die Rechtsprechung habe die Möglichkeiten einer solchen Kündigung in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet. In dem angespannten Wohnungsmarkt bestünden aber kaum Möglichkeiten, anderweitig Wohnraum zu angemessen Preisen anzumieten. Soweit sich die Mieterinnen und Mieter das überhaupt leisten könnten, bliebe ihnen keine andere Wahl, als die ungerechtfertigte Mieterhöhung zu akzeptieren.
Mietspiegel
Vor diesem Hintergrund erweise sich auch der Mietspiegel, den Münster vorbildlich als erste Gemeinde in Deutschland eingeführt habe, als zwiespältiges Instrument. Jaks machte deutlich, dass es sich lediglich um eine statistische Erfassung des Mietniveaus handele. Auch ungerechtfertigte Mieterhöhungen führten deshalb dazu, die Mieten weiter steigen zu lassen. Wenn Mieterinnen und Mieter aus Angst vor einer Eigenbedarfskündigung gezwungen sind, eine vom aktuellen Mietspiegel nicht gedeckte Mieterhöhung zu akzeptieren, beeinflusse das den künftigen Mietspiegel. Auf die Weise ermöglichten ungerechtfertigte Mieterhöhungen in der Zukunft legale Mieterhöhungen.
Indexmieten
Indexmieten, bei denen die Miete an die Verbraucherpreise gebunden sei, sind nach Jaks keine Lösung. Im Gegenteil: Die Indexmiete führe jedenfalls im gegenwärtigen Marktumfeld meist zu noch höheren Mieten. Der Grund: Vermieter nutzten den angespannten Wohnungsmarkt dazu, am Anfang eine über dem Mietspiegel liegende Miete durchzusetzen. Die automatische Erhöhung bei Steigerung der Verbraucherpreise führe dazu, dass sich dieses Niveau verstetigt. Die Mieterinnen und Mieter bezahlten dann dauerhaft eine zu hohe Miete.
Milieuschutz-Satzung
Ambivalent sieht Jaks auch das kommunale Instrument der Milieuschutz-Satzung. Damit soll eigentlich verhindert werden, dass Luxus-Sanierungen dazu führten, Mieterinnen und Mieter aus ihrem angestammten Quartier verdrängen. Die Idee sei gut, die Sanktionen aber nicht ausreichend. Die möglichen Bußgelder stünden in keinem Verhältnis zu den möglichen Gewinnen. Für kapitalstarke Vermieter lohne es sich, entsprechende Bußgelder mit einzukalkulieren. Nicht zu leugnen sei zudem, dass die Milieuschutz-Satzungen in ihrer konkreten Ausgestaltung für die Vermieterseite zu mehr Bürokratie führten. Jede auch noch so sinnvolle Renovierung müsse genehmigt werden.
Mitgliedschaft im Mieterverein
Der Vorteil einer Mitgliedschaft im Mieterverein besteht nach Jaks vor allem in der kostenlosen Rechtsberatung bei allen Problemen, die sich aus einem Mietverhältnis ergeben können. So könne man als Mieter z.B. rechtlich prüfen lassen, ob eine Mieterhöhung gerechtfertigt sei. Der Beratungsbedarf steige, wobei der Mieterverein zwangsläufig nur die besonders problematischen Fälle zu sehen bekomme. Wenn Vermieter verantwortungsvoll handelten, werde man nur selten angefragt. In seiner gegenwärtigen Beratungspraxis spüre er aber deutlich, dass die Situation in eine dramatische Schieflage geraten ist. Eine grundsätzliche Lösung für die angespannten Wohnungsmärkte könne der Mieterverein nicht bieten, gab Jaks offen zu. Hier sei die Politik gefordert.
Rückkauf von Wohnungen bei auslaufender Sozialbindung
Auf kommunaler Ebene komme ein Rückkauf von Wohnungen in Betracht, die aus der Sozialbindung herausfallen. Gerade in diesem Bereich sei der Bedarf auch in Münster groß. Bei Sozialwohnungen unterliegen die Mieten gesetzlichen Beschränkungen, das Recht der Eigenbedarfskündigung ist eingeschränkt. Anspruch auf eine Sozialwohnung haben allerdings nur Personen, die aus sozialen Gründen über einen Wohnberechtigungsschein verfügen. Derzeit dauere es nicht selten mehrere Jahre, bis man auf diesem Weg eine Wohnung bekomme. Für eine Bürgerin aus dem Publikum, die genau vor diesem Problem steht, zeichnete sich damit keine kurzfristige Erleichterung ab. Und auch ein Rückkauf von Wohnungen mit Sozialbindung sei ein eher ein mittelfristiges und zudem für die Kommunen auch sehr kostspieliges Instrument.
Verantwortung des Bundesgesetzgebers
Deshalb sieht Jaks vor allem den für das Mietrecht zuständigen Bundesgesetzgeber in der Verantwortung und plädiert für eine Abschaffung des Rechts der Eigenbedarfskündigung: „Wer für eine Urlaubsreise ein Automobil mietet, kann vom Vermieter auch nicht auf halber Strecke zurückgerufen werden, weil ein entfernter Verwandter plötzlich das Fahrzeug nutzen möchte“. Der Unterschied zur Wohnraummiete: Sie ist längerfristig angelegt, für den Mieter aber auch existenzieller. Deshalb gelte: „Bezahlbares Wohnen ist Menschenrecht.“ In angespannten Wohnungsmärkten werde dieses Recht strapaziert.
Denkbar ist Jaks zufolge auch ein Mietendeckel. Dieser ist in Berlin nur wegen fehlender Gesetzgebungszuständigkeit des Landes vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden. Für den Bundesgesetzgeber sei es verfassungskonform möglich, ein entsprechendes Gesetz zu beschließen. Den politischen Willen dafür kann Jaks bei den gegenwärtigen Mehrheiten im Bund aber nicht erkennen. Auf die Frage, ob sich bald nur noch wohlhabende Singles Wohnraum in Münster leisten könnten, hatte Jaks deshalb keine beruhigende Antwort: Wenn nichts geschieht, drohe eine weitere Verschärfung der Situation.
Foto: Lena Nötzel. V.l.n.r.: Volker Jaks, Mark Deiters